Der Kuss Des Kjer
bestattet wird! « Erschrocken wankte Lijanas vor ihm zurück. Seine Wut stand beinah greifbar zwischen ihnen. »Kommt Ihr ihm zu nahe, Heilerin, oder einer der anderen, werdet Ihr den Tag verfluchen, an dem wir uns begegnet sind! «
Keine Sorge, das tue ich bereits, Kjer!
Sie straffte die Schultern und sah ihn fest an. »Ihr wisst, dass seine Leiche verbrannt werden muss! Alles andere wäre verantwortungslos jenen gegenüber, die die Krankheit nicht haben! «
Mit gefährlicher Langsamkeit beugte er sich zu ihr vor. »Seid unbesorgt, Heilerin!
Seine Leiche wird verbrannt. Aber nicht in einer Grube zusammen mit verweichlichten Bürgern und Krämerseelen. Ein Mann wie Corfar hat Besseres verdient! «
»Ihr messt mit zweierlei Maß, Kjer! Wenn die Familien der anderen Toten hätten entscheiden dürfen, wären ihre Anverwandten auch anders bestattet worden. «
»Ich messe mit zweierlei Maß? - Es ist mir gleichgültig! Was scheren mich die Bürger Cavallins oder irgendwelche dahergelaufenen Nivard! - Corfar wird so bestattet, wie es den Bräuchen meines Volkes entspricht und wie es einem Krieger wie ihm zukommt.« Er bückte sich und zog die Decke über das Gesicht des Toten.
»Ihr werdet morgen auf meine Hilfe verzichten müssen, Heilerin. Ich muss einen Freund bestatten«, beschied er ihr, als er sich dann wieder aufrichtete. Damit ließ er sie stehen und ging hinüber zu Peider. Einen Augenblick sprachen sie miteinander, wobei der junge Soldat immer wieder zu Lijanas herüberschaute. Schließlich nickte er, und wenig später verließ er das Seuchenhaus, während Mordan sich wieder seiner Arbeit zuwandte.
Etwa eine Stunde später stand Brachan in der Tür - die junge Heilerin hatte schon fast geglaubt, Mordan wolle die Nacht wieder bei den Kranken verbringen - und nickte ihm schweigend zu. Gemeinsam trugen sie Corfars Leiche hinaus und legten sie auf die Bahre, die wieder zwischen zwei Pferden hing. Als der dunkle Krieger dann noch einmal zurückkam und sie abwartend ansah, begriff sie. Hastig verabschiedete sie sich von Zonas, der die heutige Nachtwache hatte, und folgte ihm hinaus, wo sie ohne große Umstände auf den Rücken eines der Pferde gehoben wurde. In bedrückendem Schweigen ging es zu Faderas Herberge. Die Soldaten der Stadtwache folgten ihnen.
Zu Lijanas Verblüffung war der Innenhof von Ölschalen hell erleuchtet. In der Mitte stand ein Tisch, mehrere Bahnen Leinen lagen daneben und einige Krüge standen bereit. Levan und Ecren waren nicht zu sehen. Corfars Leiche wurde behutsam auf den Tisch gelegt, dann machte Mordans unfreundlicher Blick ihr klar, dass sie hier nicht erwünscht war. Sie floh in ihr Zimmer. An die Wand neben dem Fenster gelehnt, blickte sie in den Hof. Die beiden Krieger arbeiteten schweigend, jeder schien zu wissen, welchen Handgriff der andere als Nächstes ausführen würde. Der Tote wurde respektvoll gewaschen und dann fest in die Leintücher gehüllt, die immer wieder mit Öl getränkt wurden. Schließlich wurde Corfars Furcht einflößende Axt auf seine Mumie gelegt und die Öllichter bis auf eines gelöscht. Dann traten Brachan und Mordan an Kopf, und Fußende der Totenbahre und verharrten in reglosem Schweigen, die eigenen Waffen blank in den Händen.
Am Morgen wurde sie von Mordans Schritten im Zimmer geweckt. Müde und zerzaust setzte sie sich auf und stellte fest, dass sie in ihren Kleidern geschlafen hatte. Schweigend beobachtete sie, wie der dunkle Krieger einen silberbeschlagenen Gürtel über der glänzend schwarzen Tunika schloss, unter der die eisernen Ringe eines Kettenhemds schimmerten. Dann trat er an den Tisch, auf dem zwei lange Bänder lagen, eines in einem dunklen, beinah blutfarbenen Rot, das andere von einem ebenso dunklen Braun, in das feine rote Fäden eingewoben waren, und flocht auf der linken Seite, direkt hinter seinem Ohr, drei, kaum halbfingerdicke Zöpfe in sein Haar. In den zweiten und dritten wurden die beiden Bänder mit hineingeschlungen, nur der erste blieb ungeschmückt. Ansonsten fiel seine Mähne in glänzend schwarzen Wellen bis über die Schulterblätter hinab. Als er sich umdrehte und sie ansah, musste Lijanas zugeben, dass ihr Entführer ein schöner Mann war.
Daran änderte auch die Lederklappe über dem linken Auge nichts. Im Gegenteil!
Beinah wollte es ihr scheinen, als sei es gerade dieser Makel, der seiner Erscheinung etwas Besonderes verlieh. Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, während er den Schwertgurt mit dem
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