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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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wenig später zu ihnen auf. Doch der Blick, den er mit Mordan tauschte, war mehr als deutlich.
    Die wenigen Bürger der Stadt, die sich noch auf die Straßen wagten, wurden Zeuge eines düsteren Leichenzugs, der sich durch die schmalen Gassen des alten Bezirks bewegte - weiter in den Berg hinein. Vorneweg kam die Bahre, geführt von Levan, der zu Fuß nebenherschritt, und die von Brachan und Ecren flankiert wurde, wo immer die Straßenbreite es erlaubte. Den Abschluss bildete Mordan auf Ired.
    Abgesehen von dem hallenden Klappern der Pferdehufe herrschte absolutes Schweigen.
    Schließlich erreichten sie die Stollen, in denen die Bürger Cavallins seit Hunderten von Wintern ihre Toten bestatteten. Verwundert runzelte Lijanas die Stim, als die Kjer ihre Pferde zum Stehen brachten und absaßen. Mordan half ihr noch von Ireds Rücken, dann trugen die Krieger die Totenbahre in den Stollen hinein, jeder eine brennende Fackel in der Schildhand. Ein wenig beklommen folgte Lijanas ihnen immer tiefer in den Berg hinein, vorbei an in den Nischen aufgeschichteten Gebeinen unzähliger Toten. Das Licht der vier Fackeln huschte über grinsende Schädel, fing sich in leeren Augenhöhlen und strich über Mauern aus fahlen Knochen. Zuweilen fuhr ein kalter Lufthauch durch ihr Haar und sie glaubte ein leises Flüstern zu hören - als würden unzählige Stimmen um sie her wispern und raunen.
    Der Stollen endete jäh vor einem Absatz. Zu ihrer Verblüffung kletterten Ecren und Levan hinauf, dann stemmten Brachan und Mordan die Totenbahre zu ihnen empor und reichten die Fackeln hinterher, ehe sie sich selbst hinaufzogen. Lijanas blieb allein zurück. Ein erschrockener Laut entfuhr ihr, als nach einem Augenblick der Fackelschein jäh erlosch, der eben noch schwach zu ihr herabgefallen war. Dumpf drang ein seltsames Scharren an ihr Ohr, ihr eigener Herzschlag dröhnte. Die vollkommene Schwärze schien sie zu ersticken. Keuchend riss sie den Mund auf, wollte schreien, als das Licht übergangslos wieder da war. Oben auf dem Absatz kauerte Mordan und streckte ihr die Hand entgegen. Lijanas wischte sich verstohlen ihre schweißnassen Finger an ihrem Gewand ab, ehe sie zufasste. Er zog sie neben sich, als würde sie nicht mehr wiegen als sein Schild, nur um sie auf der anderen Seite des Absatzes - der eigentlich mehr eine zwei Schritt breite, natürliche Mauer war - wieder in die Tiefe hinunterzulassen. Sie musste sich in einen schmalen Spalt, der direkt am Boden waagerecht unter einer von Rissen durchzogenen Felswand verlief, hineindrücken und ein kurzes Stück in der Hocke gehen, ehe sie sich aufrichten konnte. Erneut stand sie vor einer Felswand. Hier machte der Stollen einen scharfen Knick nach rechts und endete vor einer Wand aus weißen Flechten und Spinnweben an deren Seite Mordan sich, ohne zu zögern, vorbeischob. Lijanas folgte ihm vorsichtig und begriff, warum das Licht zuvor so plötzlich erloschen war. Dahinter führte der Stollen weiter. Und hier erwarteten sie auch die anderen Krieger schweigend. Vor ihnen stieg eine in den Felsen geschlagene Treppe sacht in die Höhe.
    Das Gestein zu beiden Seiten war geglättet, als seien einmal zahllose Hände darübergestrichen. Sie folgten den Stufen, doch je höher sie kamen, umso stärker wurde die seltsame Beklommenheit, die von Lijanas Besitz ergriffen hatte. Schließlich öffnete sich die Treppe zu einer mächtigen Kaverne und im Schein der Fackeln starrten Lijanas unzählige Gesichter voller Angst entgegen - erschrocken blinzelte sie und blickte in eine leere Höhle, in deren Mitte ein Scheiterhaufen errichtet worden war. Sie stolperte am obersten Tritt, fand im letzten Moment Halt an den Felsen und ließ den Blick hastig über die von glänzenden Salzadern durchzogenen Wände gleiten.
    Schatten flohen vor dem Fackellicht, sammelten sich zitternd in den Winkeln und hinter Felsen, die vereinzelt auf dem salzweißen Boden lagen - aber außer ihr und den Kriege war niemand hier. Sie stieß sich von dem Stein ab und folgte den Kjer, die gerade die Totenbahre auf den Stämmen des Scheiterhaufens absetzten. jetzt wusste sie auch, wohin Levan und Ecren am vergangenen Abend verschwunden waren. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, wo die Männer das Holz aufgetrieben hatten, in einer Stadt, in der es keine Bäume gab. Es musste sie ein Vermögen gekostet haben.
    Als sie sich langsam näherte, drehte Mordan sich zu ihr um und bedeutete ihr schweigend, sich auf einen flachen Felsen einige

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