Der Kuss Des Kjer
taub. «
»Aber Ihr hört nur das, was Ihr hören wollt«, brummte sie leise und gönnte ihm einen kurzen Blick über die Schulter. Den Daumen unter den silberbeschlagenen Gürtel gehakt, stand er keine Armlänge hinter ihr und sah sie eisig an. Mistkerl! Sie blickte wieder zu dem Pferdeungeheuer hin.
Es hatte ein seltsam ölig glänzendes Fell, das aus der Nähe aussah, als hätte jemand - ja, was? Asche? - hineingerieben. Sie runzelte die Stirn. Ein breiter, mit eingebrannten Verzierungen geschmückter Ledergurt reichte über seine Brust, während ganz ähnliche, mindestens handbreite Riemen Kruppe und Hinterhand zierten. Auf seinem Rücken lag ein Sattel aus dunklem Leder mit halbhohem Hinterzwiesel und einem nur wenig höheren Sattelhorn, das nach oben hin schmaler wurde und dessen Ende kunstvoll vornübergebogen war. >Kriegssattel< hatte Ahmeer diese Art Sattel genannt, als er ihr einmal ein ganz ähnliches Exemplar in den Stallungen seines Onkels gezeigt hatte. Nur war über diesen hier ein dichtes schwarzes Schaffell geworfen. Lijanas lächelte süßlich und blickte erneut über die Schulter, ehe sie ihre Musterung fortsetzte. Hinter dem Sattel war über wohlverschnürten Satteltaschen eine Deckenrolle festgezurrt und dahinter - sie schluckte unwillkürlich - war ein runder, schwarzer Schild von ungefähr einem Schritt Durchmesser festgemacht, in dessen Mitte ein fingerlanger Dorn gefährlich im Sonnenlicht glänzte. Unter dem Rand des Schildes ragte der doppelte Bogen einer Armbrust zusammen mit einem ledernen Köcher heraus, der wohl die dazugehörigen Bolzen enthielt.
»Auf der anderen Seite findet Ihr eine Garichan-Kriegsaxt und ein Kereshtai-Schwert.« Sie konnte den Spott in seiner Stimme hören.
Trägt der Kerl denn immer eine ganze Waffenkammer mit sich herum?
»Und jetzt steigt auf!« Der Spott war aus seinem Ton verschwunden.
Noch einmal ließ Lijanas den Blick über das riesige Pferd gleiten, über die Waffen, die Satteltaschen und mehrere Beutel, die dazwischen befestigt waren.
»Und wo soll ich sitzen?«
»Hier! « Er tätschelte eine Decke, die vor dem Sattel über Hals und Schulter des Tieres geworfen worden war.
Sie schloss die Augen und seufzte leise. Es hilft alles nichts.
Vorsichtig näherte sie sich dem Pferd, packte das Sattelhom so gut sie konnte und angelte mit dem Fuß nach dem Steigbügel ohne ihn erreichen zu können. Sie trat noch näher an das Tier heran - ein mächtiger Huf stampfte gefährlich dicht neben ihr den Boden. Hinter ihr zischte der Krieger der schwarzen Bestie einen Befehl in der Sprache der Kjer zu, packte Lijanas zu ihrem Erschrecken ohne Verwarnung um die Mitte und hob sie auf den Pferderücken, als hätte sie nicht mehr Gewicht als ein Kätzchen.
Da ihr Gewand zu eng war, um sich rittlings vor dem Sattel niederzulassen - sie hatte nicht vor, ihm noch mehr von ihren Beinen zu zeigen, als er ohnehin schon gesehen hatte -, blieb ihr nur, sich seitlich zu setzen. Er wartete, bis sie sich zurechtgerückt hatte, dann schwang er sich hinter ihr auf das Pferd, zog sie näher zu sich heran, stopfte einen Teil seines Mantels zwischen das Sattelhom und sie, legte einen Arm um ihre Taille und fasste mit der anderen Hand die Zügel.
Lijanas Versuch, sich aus seinem Griff zu befreien, misslang. Im Gegenteil hielt er sie jetzt noch enger gegen seine Brust gelehnt. Ebenso gut hätte sie sich gegen eine Eisenfessel wehren können. Ein kurzes Schnalzen, eine Gewichtsverlagerung und das mächtige Kriegsross setzte sich gemessenen Schrittes in Bewegung.
*** 2 ***
Kaum mehr als eine Handbreit bedeckte das Wasser den Boden und verwandelte ihn dennoch in diamantenes Glitzern und funkelndes Licht, das in hellen Schatten über die schlanken Säulen huschte, die die filigrane Decke trugen. Dort, wo Mauern hätten sein sollen, blickte man auf drei Seiten über die Unendlichkeit des Meeres, das sich donnernd an den steilen Klippen brach, auf denen die Silberne Halle von Anschara erbaut war. In der Ferne ließ ein Flimmern über der See die Hitze erahnen, die von den Gipfeln der Brennenden Inseln aufstieg und die dafür sorgte, dass die Hauptstadt Astrachars keinen Winter kannte. Auf der vierten Seite erfreute das Gold reifer Felder und das Grün wildreicher Wälder das Auge des Betrachters. Doch für all diese Schönheit hatte er heute keinen Blick. Den Ellbogen gegen eine der Säulen gestützt, die den äußeren Umgang der Halle trugen, die Knöchel der zur Faust geballten
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