Der Kuss Des Kjer
ließen Corfars Kriegsross, das nun einen großen Teil des Gepäcks trug, zurück und trabten den Nivard gemächlich entgegen.
Während Ecren sein Großschwert aus der Scheide zog, befreite Levan seinen Krummsäbel. Dann - als sie nahe genug waren - tauschten sie einen Blick und ein Nicken, gaben ihren Pferden die Sporen und donnerten mit fürchterlichem Geschrei und gebleckten Zähnen auf ihre schockierten Verfolger los.
Schon bei ihrem ersten Zusammenstoß stürzten die meisten der von der Jagd erschöpften Rösser der Nivard im glühenden Salz. Sie konnten mit der Kraft und Ausdauer eines Ashentai nicht mithalten. Ein Krieger zu Fuß hat einem Reiter gegenüber einen entscheidenden Nachteil und Ecren und Levan entledigten sich ihrer Gegner mit gnadenloser Effizienz. Die neun Nivard-Krieger hatten nicht den Hauch einer Chance. Binnen kürzester Zeit war es vorbei.
Ecren wischte das Blut von seinem Schwert und schob es in die Scheide zurück.
»Fünf für dich und vier für mich. Du kämpfst von Mal zu Mal besser, junge. Man merkt, dass der Herr dich in die Lehre genommen hat. Bald wirst du wohl versuchen, Brachan und mich auszustechen, eh?« Grinsend drehte er sich um - und blickte in ein grün glimmendes Augenpaar. Ein Schrei verhallte ungehört über dem Salz.
*** 15 ***
Eingewickelt in zwei Decken kauerte Lijanas sich enger auf dem harten Felsboden zusammen und beobachtete die Schatten der Wachen, die beinah lautlos um das Lager auf dem Plateau streiften. Sie hätte niemals gedacht, dass sie sehnsüchtig an die Nächte zurückdenken würde, die sie in Mordans unliebsamer Gesellschaft zwischen seinen warmen, bequemen Bettfellen zugebracht hatte.
Aber seit sich mit der Dunkelheit auch die Kälte zwischen den Felsen der Salzzinnen ausgebreitet hatte, tat sie es.
Je höher sie in die Berge vorgedrungen waren, umso mehr war der Einfluss der Salzwüste geschwunden. Die Luft war zunehmend kühler geworden und zuweilen war beinah eisiger Wind über sie hinweggefegt.
Verstohlen fuhr sie sich über die brennenden Augen, ehe sie sich vorsichtig umschaute.
In einem Halbrund angeordnet brannten mehrere Feuer und tauchten alles in flackerndes Halblicht. Am Rand des Flammenscheins sah sie die schemenhaften Bewegungen der Kjer, die zur Wache eingeteilt waren. Die anderen schliefen in ihre Umhänge gewickelt zwischen den Feuern. In einiger Entfernung lag Jerdt auf seinem Lager aus Fellen und Decken im Schutz eines Fels, Überhangs.
Sie wagte einen raschen Blick zu den Gefangenen und Ahmeer hin. Schon beim Absitzen hatte Jerdt Lijanas klargemacht, dass er ihr nicht gestatten würde, den Nivard Wasser zu geben oder sich in irgendeiner anderen Form um sie zu kümmern.
Die drei Krieger lagen, an Händen und Füßen gefesselt, zusammengekrümmt nahe der Felswand - vermutlich waren sie völlig erschöpft eingeschlafen. Der Kopf des Prinzen ruhte auf seiner Brust. Er war vornübergesunken und hing schlaff in den Riemen, die ihn an einen Felsen banden. Offenbar schlief auch er. Nachdenklich zog sie die Lippe zwischen die Zähne und hielt nach Wachen in seiner Nähe Ausschau. Es waren keine zu sehen, doch die Feuer warfen unruhige Schatten auf ihn - sein Verschwinden würde sehr schnell auffallen. Also musste sie zuvor die Fesseln der Nivard-Krieger lösen. Wie Ahmeer von ihr erwarten konnte, nur ihn zu befreien, war ihr unbegreiflich. >Ich habe noch nie einen Mann zurückgelassen ... < Sie grub die Zähne fester in die Lippe und ließ noch einmal die Augen durch das Lager schweifen. Abgesehen vom Knacken des Feuers, dem Schnarchen und gelegentlichen Grunzen der schlafenden Männer war es still. Und was geschieht, wenn es mir nicht gelingt, Ahmeer und die Krieger zu befreien? Was, wenn ich dabei er wischt werde? - Jerdt hat den Auftrag, mich zu seinem König nach Turas zu bringen; er wird mir nichts tun! Und auch Ahmeer ist als Geisel zu wertvoll. Aber die Krieger?!
Sie presste die Lider aufeinander. Nicht daran denken, was er mit ihnen machen könnte. - Es muss einfach gelingen!
Erneut ließ sie den Blick verstohlen über die schlafenden Männer gleiten. Die Feuer waren ein Stück weiter heruntergebrannt. Der Flammenschein erreichte Ahmeer nur noch schwach. Darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, schälte sie sich aus ihren Decken und schob die grobe Wolle so zusammen, dass es aus der Ferne so wirken musste, als läge sie noch immer schlafend darunter. Dann tauchte sie in die Dunkelheit am Fuß der Felswand ein. Einen
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