Der Kuss Des Kjer
Sajidarrah ... Die eine Hälfte der Bürger sollte auf dem Scheiterhaufen sterben, die andere nach Turas gebracht werden, um dort als Unfreie ihr Leben zu beenden. - So lautete der Befehl meines Königs.« Er schloss die Hand so fest um den Gür, tel, dass das Silber in seine Handfläche biss, kämpfte die Erinnerung nieder. Noch Tage später hatte er die Feuer gesehen, wenn er das Auge schloss. Im Schlaf hatten ihn die Schreie verfolgt. Als er den Befehl gegeben hatte, Tejidannar und alle Felder, Weiden und Wälder im Umkreis niederzubrennen, hatte er damit gerechnet, dass der gleiche beißende Geruch nach Tod aus den Flammen aufsteigen würde wie aus den Feuern von Sajidarrah. Dabei hatte er gewusst, dass die Bewohner Tejidannars von seinen Männern auf einem kahlen Hügel außerhalb der Mauern zusammengetrieben worden waren, um zuzusehen, wie ihre Stadt im Feuer starb.
Aus Tagen waren Wochen geworden, in denen er es kaum wagte zu schlafen, aus Angst vor den Albträumen, und die wenigen Stunden, die sein Körper ihm abverlangte, brachten ihm keine Erholung. - Schließlich hatte er es nur noch mit weißem Cujan ertragen. Es war Brachan gewesen, der ihn irgendwann in eine kleine Berghütte weit im Norden geschleppt und ihn dort gezwungen hatte sich seinen Dämonen zu stellen.
Beinah zwei Mondläufe hatten sie in der Einsamkeit der Berge zugebracht. Vieles davon war im Fieberwahn verloren gegangen. Er erinnerte sich daran, einige Male in einem kalten Felsenkeller auf einem Lager aus Heu und Wolldecken aufgewacht zu sein, am ganzen Körper unkontrolliert zitternd, von Krämpfen geplagt, die sein Inneres nach außen kehrten. Halb verrückt vor Schmerz hatte er geschrien und getobt, geflucht und gedroht, ja sogar geschmeichelt, damit Brachan ihm nur ein einziges Gran Cujan gab, um ihm ein wenig Linderung zu verschaffen. Der alte Krieger hatte kein Erbarmen gezeigt und ihn erst aus seinem steinernen Verlies herausgeholt, als er kaum noch Kraft hatte und ein bösartiger Husten drohte, sich in seiner Brust festzusetzen. An Händen und Füßen gebunden, hatte er dann auf einem Strohsack vor einer gemauerten Kaminstelle gelegen, in der ein helles Feuer prasselte, das den Raum mit dem Duft nach Harz und Kräutern füllte. Die Wärme hatte allmählich das Eis aus seinen Gliedern vertrieben und die Krämpfe schüttelten seinen Körper immer seltener, während Brachan neben ihm saß und leise mit ihm sprach oder ihm die Legenden der Berge erzählte, um seinen gequälten, unruhigen Geist abzulenken.
Irgendwann war es vorbei gewesen. Als seine Kräfte langsam zurückkehrten, waren sie oft in die Felsen hinaufgestiegen. Stundenlang hatten sie die wilden Falken beobachtet oder den Berggämsen bei ihren halsbrecherischen Kletterpartien zugesehen. Brachan hatte ihm gezeigt, wie man in den eiskalten Gebirgsbächen Fische mit der bloßen Hand fing. Ein paar Wochen hatte er den Frieden genossen.
Dann war Corfar gekommen und hatte ihm die Nachricht überbracht, dass Haffren ihn umgehend nach Turas beorderte. Offenbar hatte jemand das Gerücht verbreitet, er sei abtrünnig geworden und habe dem Heer den Rücken gekehrt. Er hatte sich auf sein Pferd geschwungen und war in die Ebenen hinuntergeritten, ohne sich noch einmal nach der kleinen Hütte umzudrehen.
Plötzlich wurde ihm die Stille im Zelt bewusst. Rasch hob er den Blick. Sie schaute ihn immer noch unverwandt an, Unglauben in den Augen.
» Es war ein Befehl! « Was nichts daran ändert, dass ich Hunderte ins Feuer schleppen ließ.
»Und Ihr tut, was auch immer man Euch befiehlt?« Entsetzen klang aus ihren Worten.
»Ich bin Soldat! Ich muss den Befehlen meines Herrn gehorchen.«
»Aber Ihr seid ein Heerführer ... « Voller Unverständnis schüttelte sie den Kopf.
»Das ändert nichts daran! Auch ich habe die Befehle, die man mir gibt, zu befolgen.
- Und meine Befehle bezüglich Sajidarrah und Tejidannar waren eindeutig. Ich hatte keine Wahl! «
» Man hat immer eine Wahl! «
»Nein, Lijanas, Ihr irrt Euch. Ein Krieger ist seinem Herrn zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet. Das ist Gesetz! Verweigert er einen Befehl, verliert er seine Ehre und sein Leben.«
Einen Augenblick sah sie ihn schweigend an. »Und wenn Euer Herr Euch befehlen würde, Euch selbst zu töten?«, fragte sie dann leise.
» Dann wäre es meine Pflicht, zu tun, was er befiehlt! «
»Und wenn er Euch befiehlt, mich zu töten?« Ihre Hände waren in den Stoff der Robe gekrallt.
»Lijanas ...
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