Der Kuss Des Kjer
Mantel von seinen Schultern rutschte. Er machte einen Schritt auf sie zu, blieb dann aber wieder stehen. »Lijanas, habe ich noch irgendetwas ... «
»Nein! Ihr wolltet mir den Hals umdrehen - glaube ich. « Sein entsetztes Keuchen entlockte ihr ein Lächeln. »Aber ehe Ihr Euer Vorhaben in die Tat umsetzen konntet, seid Ihr bewusstlos zusammengebrochen.«
»Und die Schramme?« Er wies auf ihre Wange.
»Das ist passiert, als Ihr im Fieberwahn um Euch geschlagen habt. Ich konnte Eurer Hand nicht schnell genug ausweichen und da habt Ihr mich mit Eurem Ring gestreift.
Euch trifft keine Schuld. «
»Das ändert nichts ... «
»Sagtet Ihr nicht vorhin, dass man Vergangenes nicht ungeschehen machen könnte?« Sie schlang fröstelnd die Arme um sich.
Er nahm eine der Decken vom Bett, trat wieder hinter ihren Stuhl und legte den weichen Pelz vorsichtig über ihre Schultern. » Die Feuerbecken werden gleich neu angezündet. Ich habe befohlen, heißes Wasser zu bringen ... «
Ihre Wange schmiegte sich in das feine schwarze Feh. »Heißes Wasser ... «, seufzte sie leise und genüsslich, mit träumerisch geschlossenen Augen.
Er musste den Blick mit Gewalt von ihr losreißen, kehrte ihr den Rücken, ging hinüber zu einer seiner Truhen und klappte sie auf. Nach einem Moment des Suchens förderte er ein paar lederne Hosen und eine schwarze Tunika zutage.
»Was tut Ihr da?«
Überrascht drehte er sich noch in der Hocke um. Ihre grünen Augen blickten ihn alarmiert an. »Mich anziehen.«
»Ihr ... Was? Ihr seid noch viel zu schwach, um aufzustehen! Wenn Ihr Euch nicht ausruht, werdet Ihr ... «
»Soll ich weiterhin nackt gehen? Dieser Mantel ist zwar warm, aber ein bisschen unpraktisch.«
Er streifte zuerst die Lendenhose über und stieg dann in die Hose aus weichem, schwarzem Leder. Nachdem er die Hosenschnüre zugeknüpft hatte, warf er den Mantel wieder über den Stuhl. Die Tunika landete obenauf Sie saß sehr still, beobachtete, wie er sich durch das Zelt bewegte. Um Strümpfe und Stiefel anzuziehen, musste er sich an einen der Seitenpfosten lehnen. Ärgerlich verfluchte er seine Schwäche und das leise Schwindelgefühl, das noch immer hinter seiner Stirn nistete. Das gleichmäßige Klingen eines Schmiedehammers auf Eisen drang von draußen herein. jemand brüllte einen Befehl, mehrere Stimmen antworteten. Er trat an den Tisch, besah sich das Sammelsurium von Tiegeln, Tüchern und Tonschalen darauf, während er noch überlegte, ob er sich jetzt gleich mit kaltem Wasser rasieren und waschen wollte oder ob er damit wartete, bis die Unfreien mit dem heißen Wasser kamen. Mit den Fingern fuhr er sich übers Kinn.
Bartstoppeln kratzten unangenehm. Jetzt gleich! Seine Satteltaschen lagen beim Zelteingang. Er holte Rasiermesser und Seife heraus, dann kehrte er zum Tisch zurück, griff nach dem Wasserkrug.
»Was hat der Umstand, dass ich eine Frau bin, damit zu tun, dass Jerdt nur Ahmeer ausgepeitscht und mich einem seiner Männer überlassen hat?«, fragte sie unvermittelt. Ihre Worte klangen unerwartet laut und ließen ihn aufblicken. Seine Hand verharrte auf halbem Weg. Einen Augenblick zögerte er, dann hob er die Schultern. »Jerdt sieht - wenn es um so etwas geht - bei Frauen lieber zu. Nur bei Männern legt er diesbezüglich selbst Hand an. Wie sagt er? Ach ja: Er will es spüren, wenn das Leder in die Haut seines Opfers schneidet. Es entsteht dabei seiner Meinung nach >eine besondere Verbindung< über die Peitschenschnur.« Er goss einen Teil des restlichen Wassers aus dem Krug in eine unbenutzte Schüssel und seifte sich Kinn, Wangen und Hals ein.
»Und warum nur bei Männern?«
Prüfend strich er mit dem Daumen über die Klinge des Rasiermessers, ehe er es langsam über seine Kehle aufwärtsführte. »Sagen wir: Jerdt hat eine ganz besondere Beziehung zu Männern. Oder ist Euch nicht aufgefallen, dass er Euch niemals mit der bloßen Hand angefasst hat?«
Ihre Augen wurden vor Erstaunen groß. » Ihr meint, er ist ... ?« Obwohl sie den Satz nicht beendete, ließ ihr Tonfall doch keinen Zweifel daran, was sie meinte.
Er strich den Seifenschaum von dem Messer ab. »Ein oder zwei Mal habe ich auch schon erlebt, dass er eine der Trosshuren in sein Zelt gerufen hat. Aber ich weiß, dass er Männer vorzieht. «
»Woher wisst Ihr das? Er ist ein Krieger! «
»Gerüchte!« Leider nicht nur daher. »Oder glaubt Ihr, es gibt kein Gerede, wenn ein Mann sich zwei junge, gut gebaute Unfreie in seinem Zelt hält?«
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