Der Kuss Des Kjer
Unwetter. Kommt! « Sie grub die Zähne in die Lippe und zog fröstelnd die Schultern hoch, während sie sich stumm von ihm zu seinem Zelt führen ließ.
Agmán und Kardan grüßten ihn mit einem Nicken und einem Schlag gegen die Brust, dann trat er zwischen den beiden Kriegern hindurch, die Hand immer noch um den Arm der Heilerin geschlossen, das Leder fiel hinter ihnen vor den Eingang, die Wärme des Zeltinneren umfing sie. Wortlos gab Mordan sie frei, trat an den Tisch, goss sich Wein ein, kehrte der jungen Frau den Rücken und stellte sich an eines der Feuerbecken, starrte in die Flammen. Schweigen senkte sich über sie, nur durchbrochen vom Krachen der Holzscheite, dehnte sich aus, wurde greifbar wie Eis.
»Mordan ... « Ihre Stimme klang seltsam verloren in der Stille. Sie musste keine Armlänge hinter ihm stehen.
» Es ist wahr, was Jerdt gesagt hat! Ihr seid Prinz Ahmeers Braut! «
»Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will, ja!«
Er schloss das Auge. Das Eis kroch in sein Inneres, lähmte jeden Gedanken, sogar den Schmerz.
»Ihr liebt ihn?«
Sie blieb stumm.
Das Eis zersplitterte und ließ nur alles verschlingende Leere zurück. Für einen kurzen Moment hatte er den Atem angehalten, wider besseres Wissen auf ein >Nein< gehofft, jetzt stieß er ihn langsam wieder aus. » Ich verstehe! «
Die Stille kehrte zurück, schwer wie ein Leichentuch. Seine Hand zitterte, als er einen Schluck Wein trank - er schmeckte schal.
»Mordan?«
Lass mich! Kannst du nicht sehen, dass du meine Seele zerreißt?
»Mordan, bitte, sprecht mit mir! «
»Was wollt Ihr, Heilerin?« Er konnte hören, wie sie bei seinem Ton zurückfuhr.
»Ich ... « Sie verstummte, zögerte, begann von Neuem. »Ich weiß, dass ich nicht darum bitten sollte, aber ... Mordan, Ihr wisst, was Jerdt mit Ahmeer machen wird.
Bitte, könnt Ihr nichts für ihn tun? Ihn unter Euren Schutz stellen? Ihn von Jerdt als Euren Gefangenen fordern? Ihr seid doch ... «
»Dieses Gespräch haben wir schon einmal geführt, Heilerin. Die Antwort ist noch immer die gleiche. Prinz Ahmeer gehört Jerdt! Ich kann für ihn nichts tun.« Ist dir eigentlich klar, was du mir antust? »Geht zu Bett. Lijanas! Wir brechen morgen früh auf « Hör auf, noch weiter in mich zu dringen!
»Gibt es ... «
Er drehte sich so heftig zu ihr um, dass sie erschrocken zurücktaumelte. Wein rann blutrot über seine Finger. »Verdammt, Frau, seid Ihr blöd, taub oder beides! Ich sagte Nein! - Und nun geht zu Bett oder, bei meinem Blut, ich reiße Euch die Kleider vom Leib und schnüre Euch bis zum Morgen in die Decken ein, dass Ihr Euch nicht mehr rühren könnt! «
Sie starrte ihn an, einen Herzschlag, zwei, drei - ihre Schultern sanken herab, ein kurzer Blick nach seiner verletzten Seite, einen Moment sah es so aus, als wolle sie etwas sagen, doch dann schwieg sie, schlurfte zum Bett hin und begann sich mit müden Bewegungen zu entkleiden. Ein Zittern durchrann ihn, hastig wandte er sich ab, für einen Augenblick starrte er in die glänzende Tiefe des Bechers - und schleuderte ihn quer durchs Zelt. Das Zittern wollte nicht nachlassen. Er presste die Faust gegen den Mund, bis er Blut schmeckte. Hinter sich hörte er das leise Knarren der Spannriemen, dann war es still. Langsam drehte er sich um. Sie lag in die Felle vergraben, das Gesicht nur ein fahles Oval in dem schwarzen Feh. Das Elend in ihren Augen zwang ihn, das Zelt zu verlassen.
*** 20 ***
Der Regen setzte ein, als er zurückkehrte. Mit einem knappen Befehl schickte er Agmán und Kardan in ihr Zelt, duckte sich durch den Eingang und sicherte rasch die Lederklappe, ehe der Sturm sie ihm aus der Hand reißen konnte. Lange Zeit stand er still, lauschte den Geräuschen des Regens, der von Windböen immer wieder gegen das Leder gepeitscht wurde und der alle Spu. ren verwischen würde. Dann löschte er die Feuerbecken, bis auf die beiden, die dem Bett am nächsten waren. Einen Moment betrachtete er die Heilerin in dem flackernden Halblicht. Sie lag in die Felle eingekauert, als wollte sie sich für immer unter ihnen verkriechen. Eine schmale Hand hatte sie unter die Wange geschoben, die Züge im Schlaf entspannt und friedlich.
Du tötest mich, kleiner Vogel! - Und du weißt es noch nicht einmal!
Er trat vom Bett zurück, streifte müde die Stiefel ab und zog Wams und Tunika aus.
An seiner Seite war der Verband von getrocknetem Blut steif, er löste ihn und wusch sich die verbliebenen Spuren von der Haut, dann
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