Der Kuss Des Kjer
wegführte. Als hinter ihm das Leder einer Zeltklappe herabfiel und Nässe und Kälte um ihn herum nachließen, begriff er, dass sie ihn in sein Zelt gebracht hatte. Stumpf ließ er den Blick über die Verwüstung gleiten, schwach drang Brandgeruch in seine Nase. Klatschend landete die durchweichte Decke hinter ihm auf dem Boden. Sie tauchte wieder vor ihm auf, blickte ihm unerklärlich besorgt ins Gesicht, ergriff ihn wieder bei der Hand, führte ihn näher an die Feuerbecken heran, näher an die Wärme. Er stand mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern, während sie um ihn herumhuschte, für seinen trägen Verstand so schwer zu fassen wie ein Traum nach einem unruhigen Schlaf. Sie nötigte ihn, die nassen Hosen abzustreifen. Weiche Tücher wurden über ihn gehängt, sie trocknete ihn sanft, aber entschieden ab - er stieß sie unwillig von sich. Sie machte weiter, schimpfte leise in ihrer Sprache. Die Leere kehrte zurück. Teilnahmslos ließ er sich von ihr auf die Knie drücken, während sie sich über seine Größe beklagte, und ergab sich ihren Händen, die sein Haar rubbelten, die Nässe von seiner Haut nahmen und irgendwann begannen, Wärme in das Eis, das seine Glieder waren, hineinzureiben. Und immer wieder beugte sie sich vor, um in sein Gesicht zu sehen. Als sie seine Hände um einen Becher legte und ihn aufforderte, zu trinken, tat er es. Angewärmter Wein rann durch seine Kehle. Sein Verstand kam so weit zurück, dass er begriff, dass sie nach Jerdts Worten ... dass sie wusste Er hätte es ihr lieber selbst gesagt, alles ... alles ...
Müde sank er zu Boden und auf die Seite. Ihre Hand strich über seinen Rücken, glitt über die Kraterlandschaft aus Narben und Striemen vom Nacken bis zur Mitte. Er schauderte - und plötzlich brachen die Worte aus ihm heraus, unaufhaltsam wie eine tödliche Flut.
» Ich wurde in der Felsenburg von Turas geboren ... «
Lijanas erschrak, als er auf einmal zu sprechen begann, doch dann setzte sie sich still neben ihn und hörte zu, während er von der unfreien Magd Thiéla erzählte, der Halb-Edari, die seine Mutter war, einer Frau, so schön, dass sogar König Haffren in ihr Bett stieg, doch die für ihren Sohn nicht mehr hatte als Schläge und Verachtung. Sie schauderte, als er mit seltsam veränderter Stimme erzählte, wie sie ihn in seinem dritten Winter aus dem Pferdestall holten und in die Schmiede der Felsenburg brachten, wo sie ihm den eisernen Ring um den Hals schlossen. Ihre Hand stahl sich zu seiner Stirn, während er weitersprach, von dem Tag, an dem seine Mutter ihn endgültig davonjagte, und von den Ashentai-Rössern, zwischen deren Hufen er von da an schlief, bis der Stallmeister ihn erwischte und nachts in die Scheune verbannte.
Er kauerte sich zusammen, als er von den Kriegern berichtete, die ihn irgendwann aus seinem Schlafplatz im Heu zerrten und aus Turas wegbrachten, in die Garnison, in der die Söhne der Clansherren zu Kriegern erzogen wurden, wo sie das zweite Zeichen in seinen Nacken stachen, das ihn als Eigentum des Kriegerbanns zeichnete, bei dem auf einen wie ihn nur harte Arbeit und Elend warteten. Sie lauschte seiner Stimme ebenso wie seinen Atemzügen und dem stetigen Pochen seines Herzens, versank darin ... Die Worte trieben an der Oberfläche eines schäumenden Flusses wie weiße Gischt, doch darunter - Bilder und Gefühle, vom Verstand längst vergessen, aber das Herz erinnerte sich noch und die Seele
... Zitternd steht sie vor dem hochgewachsenen Mann, dem Kessanan mit den beiden Ehrenschwertern unter dem Gürtel. Angst! Was wird jetzt wieder mit mir geschehen? Der Kittel zerreißt über der Schulter mit dem Mal. Ein Nicken des Kessanan. »Das ist er. « Er? Die Hand unerbittlich in ihrem Nacken, schiebt sie aus dem Haus, zu einem Pferd. Aufsteigen. Noch nie hat sie auf einem Pferd gesessen.
Nach einem langen Ritt - Turas, die Felsenburg. Zuhause! Unglauben, Freude! Der dritte Festungsring, ein Unfreier führt das Pferd fort. Wieder die Hand in ihrem Nacken. Eine Schmiede. Angst! - Verwunderung! Sie schlagen den Ring von ihrem Hals. Die Hand im Nacken führt sie in die Hallen der Kessanan. Ein heißes Bad - pure Wohltat. Saubere Kleider, Schuhe. Etwas zu essen: Suppe, Brot, Käse - keine klumpige, kalte Grützenpampe. Wieder der Kessanan. Seine Stimme ist sanft und gütig. Ach bin der Hohe Meister Arkell. Ich werde dich ausbilden.« Arkell! Der Name ist schwer von Hass und Furcht. Was danach kommt, ist blankes Grauen und finsterer
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