Der Kuss Des Kjer

nahm er aus einer der Truhen eine Wolldecke und rollte sich in einer Ecke auf dem Boden zum Schlafen zusammen.
    Schon wenig später fuhr er jäh wieder auf, als das Leder vor dem Eingang des Zeltes abrupt beiseitegefegt wurde. Im ersten Augenblick war er davon überzeugt, eine besonders heftige Böe habe es losgerissen, doch dann stürmte Jerdt herein, gefolgt von mehreren Kriegern seiner Leibwache. Er sah sich nicht um, sondern marschierte direkt auf das Bett zu, riss die Felle beiseite und packte Lijanas bei den Haaren. Die junge Heilerin erwachte mit einem gel, lenden Schrei - der verstummte, als Mordan »Was geht hier vor?« durch den Raum donnerte. Sichtlich verwirrt über den Umstand, ihn nicht im Bett vorzufinden, drehte Jerdt sich um. Seine Männer legten die Hände an die Waffen. Auf Mordans Stirn zeigten sich unheildrohende Falten. » Ihr! Raus! «Die Krieger zögerten, blickten zu ihrem Heerführer. Sein Auge wurde schmal. »Wenn ich es noch einmal sagen muss, zuckt ihr noch vor Sonnenaufgang am Pfahl - ausnahmslos! « Der Hauch eines Zögerns, dann machten sich die Männer davon. »Lass sie los! «, langsam trat er in die Mitte des Zeltes. Jerdt schubste Lijanas von sich, die sich hastig auf die andere Seite des Bettes rettete und eine Decke vor sich hielt, als könne das abgezogene Fell eines Bären sie vor König Haffrens zweitem Heerführer schützen.
    »Was willst du, Jerdt?«
    »Mein Gefangener ist geflohen! «
    Er hörte das scharfe Atemholen der Heilerin. »Was geht mich das an?«
    Jerdt zerrte ein Bündel Lederriemen unter seinem Gürtel hervor und wedelte damit herum. » Seine Fesseln wurden durchschnitten! Jemand hat ihn befreit! «
    »Und? Was habe ich damit zu tun? - Oder sie?« Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er sich gegen die Tischkante.
    »Sie ist die Einzige, die ... «
    Er stieß ein spöttisches Schnauben aus. »Mach dich nicht lächerlich! Sie soll deinen Gefangenen befreit haben? Sie? Mitten aus einem Heerlager heraus? Das ist das Blödsinnigste, das ich jemals gehört habe. «
    »Wer sollte es sonst gewesen sein?«, schnappte Jerdt dagegen.
    »Woher soll ich das wissen? - Sie zumindest war die ganze Zeit in diesem Zelt.«
    Die grüngrauen Augen des zweiten Heerführers wurden schmal. »Und was ist mit dir?«, erkundigte er sich lauernd. Mordan stieß sich vom Tisch ab, packte ihn am Wams und zog ihn dicht zu sich heran. »Willst du damit andeuten, ich hätte den Nivard befreit, Jerdt?«
    »Einem wie dir ist doch alles zuzutrauen. - Nimm die Hände weg! «
    Im Atem des anderen roch Mordan Wein. Wenn Jerdt getrunken hatte, war er gefährlicher als sonst. Seine Fäuste schlossen sich fester. »Einem wie mir?«, zischte er.
    Ein beißendes Lächeln zeigte sich auf Jerdts Zügen. »Einem wie dir! Einem stinkenden Unfreien, der aus dem Dreck hervorkriechen konnte, weil ein alter Mann blödsinnig geworden war. Nimm die Hände weg, sonst ... «
    »... was, Jerdt? Sonst was? - Die Zeiten sind vorbei, dass du mir drohen konntest!
    «, Hart stieß er ihn von sich. Jerdt strauchelte und stürzte zu Boden. »Pack dich aus meinem Zelt, ehe ich dich hinausschleifen lasse! «
    Mühsam rappelte er sich wieder auf, starrte Mordan hasserfüllt an. »Glaubst du wirklich, ich lasse mir von dir befehlen? Nein! Nicht von dir! Weißt du noch, wie du gekrochen bist? Wie du gebettelt hast?«
    »Ich warne dich, Jerdt! - Verschwinde!« Drohend machte er einen Schritt auf den anderen zu.
    »Du warnst mich? Du?« Er lachte höhnisch. Sein Blick ging zu der jungen Heilerin hin, die immer noch auf der anderen Seite des Bettes stand und alles erschrocken verfolgte, kehrte zu Mordan zurück. »Hat sie herausgefunden, was du bist, und hat dich deshalb aus dem Bett geworfen? Zurück auf den Boden, in den Dreck, wo du ...«
    » Es reicht! - Raus hier! «

    Jerdt wich vor ihm zurück, sah erneut zu Lijanas hin. »Hat man Euch die Augen geöffnet, über ihn, den großen Mordan, König Haffrens ersten Heerführer? Hat man Euch gesagt, dass er nicht mehr ist als unfrei geborene Brut? Hat man Euch erzählt, wie er im Dreck gekrochen ist? Wie er vor mir gekrochen ist?« Er lachte leise. »Willst du ihr nicht erzählen, wie es war, als ich dich unter mir hatte? Erinnerst du dich, als ich mit dir fertig war, hast du wie eine Jungfrau geblu ... « Mordans Faust schickte ihn zu Boden. In seinem Innern brach eine Mauer, befreite jene Kreatur, die die Kessanan in den ersten Wintern aus ihm gemacht hatten, ehe sie ihm die