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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ihr Pferd neben ihm an und folgte seinem Blick.
    »Die Sandgrassteppe!« Er verschränkte die Handgelenke auf dem Sattelhom und lehnte sich nach vorne. »Und die Nebelwand dahinter verbirgt die Berge jenseits von Kassens Klamm. Spätestens morgen Abend sollten wir den Brückenbogen erreicht haben. Dort erwarten Ecren und Levan uns.« Er sah sie von der Seite an, wandte aber den Blick gleich wieder ab und richtete ihn erneut hinunter in die Ebene. Wohl schritthohe, silbern und golden glänzende Grasbüschel, aus denen purpurfarbene Rohrkolben emporwuchsen, ragten aus dem fahlen Sandboden und bewegten sich mit einem unheimlichen Rascheln im Wind, der stetig über sie strich. Ein leises Wispern und Raunen schien in der Luft zu liegen. Lijanas schauderte und zog die Schultern in die Höhe, trieb dann aber ihr Pferd hinter Mordan her, die Anhöhe hinab. Das Wispern und Raunen wurde lauter.

    ***
    Schweigend saß sie auf den Fellen, die Beine gekreuzt, die Handgelenke locker auf den Knien, atmete tief den Rauch der Kräuter ein, die sie kurz zuvor ins Feuer geworfen hatte, und lauschte dem Flüstern des Windes. Schließlich griff sie nach ihrem Stock und stand auf. Der Diener des Hathenan war gekommen, um die Tränen der weißen Schlange zu stehlen. Bei ihm war jene, die vom Blut der Schlange war.
    Ihre Krieger mussten nicht länger warten. Bis die Sonne zum zweiten Morgen den Himmel küsste, würde der Sand sein Blut getrunken haben.

    ***
    Das Raunen und Wispern schien mit dem Sonnenuntergang lauter geworden zu sein.
    Und jetzt, da die Dunkelheit sich über die Sandgrassteppe gesenkt hatte, glaubte sie das Flüstern manchmal direkt an ihrem Ohr zu hören. Sie blickte zu Mordan hin, der auf der anderen Seite des Feuers hockte und darauf achtete, dass die beiden dürren Kaninchen, die er am späten Nachmittag mit der Armbrust erlegt hatte, nicht verbrannten.
    Sie hatten ihr Nachtlager diesmal im Windschatten mächtiger Findlingsfelsen aufgeschlagen. Ihre Decken lagen dicht an einem der Steinblöcke, geschützt vor den kalten Böen, die das Gras immer wieder zum Rasseln und Pfeifen brachten. Schon mehrfach hatte sie geglaubt, aus dem Augenwinkel eine Bewegung zu sehen. Doch jedes Mal, wenn sie sich hastig umgedreht hatte, war da nichts gewesen außer wogendem Gras und Rohrkolben. Die unheimlichen Schatten, die das Flackern der Flammen zum Leben erweckte, machten es auch nicht besser. Lijanas zog die Decke enger um die Schultern und wurde von dem leisen Schaben unter der Tunika an den Grind auf ihrem Rücken erinnert. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, das geholfen hätte, den Schorf abzuweichen und ihn zu lösen. Ein Knacken jenseits des Feuerscheins ließ sie zusammenzucken. Auch Mordan hob wachsam den Kopf und streckte die Hand nach seinem Schwert aus, doch es war nur ihr Grauschimmel, dem seine abendliche Kleie-Ration wohl nicht genügt hatte und der sich mit den scharfkantigen Grasstängeln beschäftigte, als hoffe er, ihnen entlocken zu können, wie man sie vielleicht doch fressen konnte. Ired stand einige Schritte weiter, den Kopf stolz gereckt, und ließ sich den Wind durch Mähne und Schweif wehen. Im dreifachen Mondlicht glänzte ihr Fell wie der Nachthimmel selbst. Mordan ließ das Ashentai mit schleifendem Führstrick umherwandern, nur ihrem Pferd waren Fußfesseln angelegt worden, damit es nicht davonlief. Still sah sie zu, wie Mordan noch einmal die Hasen an ihrem Spieß umdrehte, sich dann mit überkreuzten Beinen auf seine Felle setzte und brütend ins Feuer starrte. Wie immer lag das Kereshtai griffbereit neben ihm - und wie immer in den letzten Tagen schwieg er und mied ihren Blick.
    Es war einfach unerträglich, wie er sich mehr und mehr in sich selbst zurückzog!
    Entschieden stand sie auf, umrundete das Feuer und stellte sich vor ihn. Er schaute kurz auf, machte aber keine Anstalten, auf den Fellen beiseitezurutschen und sie aufzufordern, sich neben ihn zu setzen. Sie tat es trotzdem - und natürlich rückte er ein Stück ab. Schweigend saßen sie nebeneinander und blickten ins Feuer.
    »Es ist mir gleich«, sagte Lijanas irgendwann leise in die Stille hinein.
    Wachsam sah er sie an. »Was?«
    Eine scharfe Böe hatte sich ihren Weg um die Felsen herum gesucht, ließ die Flammen flackern, warf verzerrte Schatten auf die Steinblöcke, erweckte das Gras zu rasselndem Leben und trieb Lachen und Flüstern vor sich her.
    »Dass Ihr unfrei geboren seid. - Ich wusste es schon, bevor Jerdt -«
    Abrupt

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