Der Kuss Des Kjer
der Krieger ein paar Stoffstreifen hinhielt und auf Mordan wies.
»Erstaunlich! Er erlaubt mir, Euch zu verbinden - dabei wollen sie uns doch töten«, meinte sie in spöttischem Ton, während sie das Tuch um seinen Oberkörper schlang.
Ein mühsames Unterfangen bei einem Mann, der gefesselt auf der Seite lag. Sein Knurren ließ sie völlig unbeeindruckt. »Wisst Ihr, zu welchem Volk oder Stamm diese Männer gehören?« Sie haschte hinter seinem Rücken nach dem anderen Ende des Stoffstreifens.
»Nein. Die Sandgrassteppe war nie besonders interessant für mein Volk. Es gibt hier nichts als Sand und Weite. Man könnte hier noch nicht einmal Pferde züchten. Ein paar wilde Stämme sollen hier leben, denen man allerhand abergläubischen Unsinn nachsagt, aber ... « Er hob den Kopf, als weitere Fremde aus der Dunkelheit auftauchten, struppige Ponys zwischen sich. Zwei der Krieger stellten Mordan auf die Beine, kaum, dass Lijanas den Verband über seinen Rippen verknotet hatte, und führten ihn zu den Tieren, ohne auf sein Sträuben zu achten. Er sah sie über die Schulter noch einmal scharf an. Lijanas blickte beiseite. Nein, sie würde nicht mit Ired fliehen.
Die Krieger zwangen ihn auf den Rücken eines der Ponys, und während sie ihm noch die Füße unter dessen Bauch zusammenbanden, winkte der Anführer der Männer sie zu einem der anderen Tiere. Ein wütendes Wiehern erklang irgendwo in der Dunkelheit zu ihrer Rechten. Ein letztes Zögern und ein Blick zu Mordan hin, der die Männer mit kalt loderndem Auge beobachtete, dann schwang Lijanas sich in den Sattel des ihr zugewiesenen Ponys. Die Parierscheibe des Kereshtai, das sie unter ihren Gürtel geschoben hatte, bohrte sich in ihre Rippen. Ein Teil der Krieger saß ebenfalls auf, während andere zu ihrem Erstaunen ihre Bettfelle und Habseligkeiten zusammenpackten und jede Spur beseitigten, die darauf hingewiesen hätte, dass es hier einmal ein kleines Lager gegeben hatte. Auch das Ashentai und ihr Pferd wurden nicht zurückgelassen, obwohl es den Fremden kaum gelang, das Kriegsross zu bändigen. Ein kurzes Signal des Anführers und die Ponys setzten sich in Bewegung.
Wie bei Mordan führte einer der Männer auch Lijanas' Tier.
***
Beinah zärtlich fuhr sie mit dem Dolch über die mit Schweiß und Blut überzogene Haut. Der Mann wimmerte, als unter der Klinge ein weiterer Schnitt klaffte. Hinter ihr brannte ein kleines Feuer. Sie hatten sich wieder weit genug in die Salzzinnen zurückgezogen, dass die Kjer unten in der Ebene seine Schreie nicht hören würden.
Bis zum Sonnenaufgang hatte sie Zeit, dann würde man sein Verschwinden bemerken und nach ihm suchen umsonst. Seine Leiche würde in den Tiefen einer Felsspalte verschwinden. Aber bis dahin würde sie erfahren haben, was sie zu erfahren wünschte.
*** 22 ***
Eine Hütte gebaut aus Sand!
Sie konnte es nicht fassen. Zum sie wusste nicht wievielten Mal drehte Lijanas sich langsam um sich selbst und bestaunte die Halbkugel aus Sand, in der sie sich befand.
Ein dicht gewebter Teppich hing vor dem Eingang, in der Mitte der Kuppeldecke war ein Rauchabzug, unter dem ein kleines Feuer vor sich hin prasselte. Auf der einen Seite wartete ein bequemes Lager aus weichen Fellen, auf der anderen befand sich etwas, was sie an einen Wehrahmen erinnerte. Eine Holzspindel lag daneben auf einem Korb gekämmter Wolle. Nischen waren in die Sandwand gekratzt, in denen Töpfe mit wohlriechenden Kräutern ebenso wie Essensschalen und Becher oder eine Lampenschale aus Ton standen. Schatten wiegten sich auf den hellen Wänden, der Rauch über dem Feuer schien zu tanzen und zu flüstern. Erneut trat sie an den Eingang der Sandhütte, hob das Tuch davor an und lauschte hinaus. Sie wusste nicht, ob die Stille draußen in der Dunkelheit ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
Auf dem Weg hierher waren die Krieger höflich, ja beinah ehrfürchtig mit ihr umgegangen, während sie Mordan unübersehbaren Respekt zollten. Auch wenn sie seine Fesseln weder gelockert noch gänzlich gelöst hatten. Mehr als einmal hatte sie das geflüsterte Wort >Cogén< gehört.
Bei ihrer Ankunft in dem kleinen Dorf, das am Fuß eines mächtigen Sandsteinfelsens lag, war ihnen eine junge Frau - nein, eher noch ein Mädchen - entgegengetreten und hatte mit dem Anführer der Männer gesprochen. Daraufhin hatten zwei der Fremden sie zu dieser Hütte geleitet und davor Stellung bezogen. Das Letzte, was sie von Mordan gesehen hatte, war, dass er von
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