Der Kuss Des Kjer
dann war da nur wieder jener zähe Nebel, unter dem alles verborgen lag. Er presste die Fingerspitzen gegen die Schläfe. Wo sind wir hier? Wie sind wir hierhergekommen?
Was im Namen aller Götter und Dämonen ist geschehen? Bitter verzog er den Mund.
Gerne hätte er sich der trügerischen Hoffnung hingegeben, dass nichts geschehen war
– aber das war unmöglich. Die Art, wie sie nackt beieinanderlagen, der Umstand, dass die Pelze um sie herum vollkommen zerwühlt waren ... Wenn ich mich doch nur erinnern könnte! Fast war er versucht, noch einmal den Kopf zu heben und nach verräterischen Spuren von Blut an den Schenkeln der Heilerin Ausschau zu halten. An jedem anderen Ort hätte er so zumindest einen Teil der Ungewissheit beseitigen können - aber in nicht einmal einem Schritt Entfernung zu einer heißen Quelle ...
Sinnlos! Er ließ die Hand wieder auf die Felle zurückfallen, fühlte etwas Weiches unter den Fingern, hob es auf und betrachtete es. Eine Frucht von dunkler, beinah purpurner Farbe - und süß. - Er hatte sie damit gefüttert. Das Verlangen, diese blinde junge Hexe zu erwürgen, war plötzlich übermächtig. Gelber Saft rann zwischen seinen Fingern hervor, den Arm hinab. Angewidert warf er die zerquetschte Frucht beiseite und wischte die Hand an den Fellen sauber. Das alles musste ihr Werk sein! Aber warum? Warum, verdammt? Was hat dieses Miststück davon, wenn sie ihr Leben zerstört und meins obendrein? An seiner Seite regte die Heilerin sich leicht. Er erstarrte. Ihre Hand strich im Schlaf über seine Brust ... Das Bild war auf einmal da, nahm ihm den Atem: Lijanas , über ihm; ihr Gewicht auf seiner Hüfte; ihre Hände, mit seinen verschränkt, rechts und links neben seinem Kopf in die Felle gedrückt; das Glitzern ihrer Augen; Schweiß auf ihrer Haut; sie beugt sich vor, ihr Haar fällt auf seine Brust ...
Sie bewegte sich, lag mit einem leisen Seufzen wieder still. Er konnte spüren, wie ihre Wimpern seine Haut streiften, als sie die Lider öffnete. Ihre Hand erstarrte auf seiner Brust. Dann hob sie langsam den Kopf. Ihr Blick begegnete seinem, weitete sich. Zögernd richtete sie sich auf, ihre Augen zuckten über seinen Körper. Er hörte ihr scharfes Atemholen, während sie gleichzeitig zurückwich. Sie sah ihn abermals an, an sich hinab - und presste den Handrücken gegen die halb geöffneten Lippen, als ihr offenbar bewusst wurde, was dies alles bedeutete. Als habe er sich plötzlich in ein Ungeheuer verwandelt, schob sie sich weiter von ihm fort.
»Lijanas ... « Er richtete sich langsam auf, streckte die Hand nach ihr aus.
Mit einem entsetzten Kopfschütteln wich sie noch mehr zurück, stieß jäh einen gellenden Schrei aus und stürzte über die Felskante in den kleinen Teich. Wasser spritzte. Er warf sich viel zu spät vorwärts, wollte sie noch erreichen, verharrte dann am Rand des Steins, spähte in das klare Wasser, in dem sich ihre Gestalt schimmernd abzeichnete. Dann tauchte sie wieder auf, hastig darauf bedacht, ihre Blöße vor ihm zu verbergen. In ihren Augen stand noch immer ein Ausdruck puren Entsetzens, der ihm das Gefühl gab, ein abstoßendes Tier zu sein. Er sah beiseite, schob sich vom Rand des Beckens zurück, kehrte ihr den Rücken zu und grub die Finger in die Felle, während er versuchte, den Schrei ohnmächtiger Wut in seinem Inneren zu ersticken.
Eine ganze Zeit war nichts anderes zu hören als das stetige Geräusch der Tropfen, die von den Wänden rannen, ihre bebenden Atemzüge und ein gelegentliches Plätschern, wenn sie sich im Wasser bewegte.
Dann: »Was ist passiert?« Ihre Stimme klang dünn.
» Ich weiß es nicht. « Er hob den Kopf, starrte gegen den Felsen.
»Haben wir ... ?« Die Worte klangen so ängstlich, dass es sein Herz zerschnitt. Tier!
Bestie! - Kjer!
»Ich weiß es nicht.« Wäre es so entsetzlich für dich, kleiner Vogel? »Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich in dieser Hütte zusammengebrochen bin. - Dann bin ich hier wieder aufgewacht. «
»Mir geht es genauso. - Das Mahl! Sie müssen irgendwelche Drogen hineingemischt haben. «
»Ja.«
»Aber warum haben sie uns dann ... « Sie verstummte hilflos.
ja, warum? Mordan fuhr sich mit der Hand über den Nacken, rieb sich die Schulter.
Sein Fell fühlte sich ekelhaft ölig an. Warum haben sie uns in diese Höhle gebracht?
Warum haben sie uns nicht getötet? Angewidert wanderte sein Blick über die weichen Pelze, die Tonlampen, die den Bereich vor dem natürlichen kleinen
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