Der Kuss Des Kjer
Zügel und marschierte los. Er war an der Reihe, die Spitze zu übernehmen und nach Rissen im Boden Ausschau zu halten.
Mit der Sonne kamen Hitze und Durst und binnen kurzer Zeit waren ihre Lippen ausgetrocknet und rau. Bei der letzten Rast hatte Lijanas sich rittlings in den Sattel gesetzt, auch wenn dabei ihr Gewand bis über ihre Knie hochgeschoben wurde. Ihre bloßen Beine waren unter dem langen Mantel verborgen, das Sattelleder klebte an ihrer Haut, Salz und Schweiß juckten quälend. Mit beiden Händen hielt sie sich müde am Sattelhom fest, während die Sonne ihre Kräfte langsam aufzehrte. Das gleichmäßige Wippen von Ireds Ohren wirkte einschläfernd. Die Augen im grellen Licht halb geschlossen, hing ihr Blick an Mordans Rücken, der seit dem Morgen neben der Stute herging, die Zügel locker um die Hand geschlungen, und sich in unregelmäßigen Abständen umwandte, als wolle er sich vergewissern, dass sie noch immer aufrecht auf dem Pferderücken saß. Irgendwann hatte er sein Lederwams hinter dem Sattel festgezurrt und trug nun nur noch sein Kettenhemd über der Tunika, nach wie vor das Tuch um den Kopf geschlungen. Für einen kurzen Moment sah Lijanas ein Glänzen, als er sich mit der Hand über den Nacken fuhr.
Als er zum zweiten Mal an diesem Tag haltmachte, damit sie trinken und die Pferde einen Augenblick ausruhen konnten, stand die Sonne als gleißender Ball am westlichen Himmel. Wie beim ersten Mal gab er zuerst ihr und Levan Wasser, dann tränkte er Ired, verschloss den Wasserschlauch sorgfältig und hängte ihn an den Sattel zurück. Lijanas blinzelte. Sie hatte ihn nicht trinken sehen. Rasch schaute sie zu den anderen Kriegern hin. Ob sie wussten, was er tat? Die Stim gerunzelt blickte sie auf seinen Rücken. Unter dem Kettenhemd konnte sie Schweißflecken auf der schwarzen Tunika ausmachen. Wie lange glaubte er, in dieser Hitze ohne Wasser durchhalten zu können? In einer unbewussten Bewegung schob er die Ärmel an den Unterarmen empor, entblößte hässliche Narben an den Handgelenken, die sich deutlich zwischen seinem feinen schwarzen Fell abzeichneten, wandte sich einmal mehr zu ihr um und musterte sie auf diese seltsam prüfende Art. Ihre Augen weiteten sich verblüfft. Ob er seine Wasserration für Levan aufsparte - und für sie?
Lijanas schrak auf, als Ired stehen blieb und Mordan neben sie trat. Die Sonne stand noch nicht im Mittag und doch hatte sie die Wüste schon in einen Feuerofen verwandelt.
»Für den Rest des Tages bleiben wir hier. Könnt Ihr alleine absteigen, Heilerin?« Er zog das Tuch von Mund und Nase, seine Lippen waren ausgetrocknet und rissig, sein Gesicht dort, wo es nicht unter dem Stoff verborgen gewesen war, von Salz und Sonne gerötet.
Müde nickte sie, doch ihre Beine straften sie Lügen. Sie gaben unter ihr nach, kaum dass sie den Boden berührten. Mühsam musste sie sich an Ireds Steigbügel hochziehen und benötigte dann noch einige erschöpfte Atemzüge, ehe sie sich aufrecht halten konnte. Langsam sah sie sich um. Die Felle der Pferde hatten unter einer fahlen Schicht aus Salzstaub ihren seidigen Schimmer verloren. Schweiß machte sie dunkel und flockte weiß an ihren erschöpft gebogenen Hälsen. Zu ihrer Rechten waren die Krieger damit beschäftigt, aus mitgebrachten Stangen und ihren Decken einen notdürftigen Sonnenschutz zu bauen. Lijanas stieß sich von Ireds Seite ab und tappte hinüber zu Levans Bahre. Seit dem Morgen hatte sie vier Mal nach ihm gesehen - mit jedem Mal schien es ihm schlechter zu gehen. Das Fieber verbrannte ihn von innen heraus und die Hitze tat ein Übriges. Er war nicht mehr aus der Bewusstlosigkeit erwacht, seit er am vergangenen Tag auf dem Weg zu Darachnars Tal kurz zu sich gekommen war. Behutsam hob sie die Decken an, die so über ihn gebreitet waren, dass sie ihn gänzlich vor der Sonne schützten. Sein Gesicht war fahl, die Wangen unnatürlich gerötet und die Lippen geschwollen und mit nässendem Grind überzogen. Sie wandte sich um, als hinter ihr Schritte erklangen. Schweigend lösten die Kjer Levans Bahre von den Sätteln der Pferde und trugen sie in den Schatten des einfachen Sonnenschutzes hinüber. Lijanas wollte ihnen folgen, fand sich aber unvermittelt auf den Knien wieder. Sie müh, te sich noch hochzukommen, als Mordan zu ihr zurückkehrte, sie vom Boden aufhob und ebenfalls in den Schatten des Unterstandes trug, wo er sie auf den dort ausgebreiteten Fellen absetzte. Er öffnete einen Wasserschlauch und hielt
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