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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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verlassen hätte, um ihm in aller Ruhe Lebwohl zu sagen ... Langsam schüttelte er den Kopf Auf sein Drängen hatte ihr Vater versucht, die Brüder gegeneinander auszutauschen, jedoch ohne Erfolg. Kédar war als Geisel in Turas geblieben.
    In der ersten Zeit hatten sie nur gelegentlich etwas von ihm gehört. Meist Berichte von Händlern, die ihn - scharf bewacht - auf den Zinnen der Felsenburg gesehen haben wollten. Doch dann, nachdem König Rayon gestorben und dessen Tochter Naisee den Thron bestiegen hatte, waren ihnen immer öfter Briefe von Kédar überbracht worden. Was sein Bruder ihrem Vater schrieb, wusste Rusan nicht, doch aus den Zeilen, die an ihn selbst gerichtet waren, klang deutlich Hoffnung. Man hatte ihm die Ketten abgenommen und erlaubte ihm nun, sich innerhalb der Mauern von Turas frei zu bewegen - wenn auch nach wie vor unter Bewachung. Zuweilen forderte Königin Naísee ihn sogar auf, sie auf einen Ausritt oder Spaziergang zu begleiten.
    Kédar beschrieb die junge Herrscherin der Kjer als eine Frau, die das Töten beenden wollte und die stark genug war, um sich auch gegen ihre Berater durchzusetzen.
    Sie hatten sich immer häufiger geschrieben - K6dar war begierig auf Neuigkeiten aus Anschara - und der Bote, der die Briefe überbrachte, berichtete schließlich sogar, dass man ihn zum Prinzen vorgelassen habe, der inzwischen ein karges, zugiges Turmverließ gegen ein Gemach eingetauscht hatte, das seinem Stand entsprach.
    Doch je weiter der dritte Winter seiner Gefangenschaft voranschritt, umso mehr änderte sich der Ton in Kédar Briefen. Rusan hatte immer öfter das Gefühl, dass sein Bruder ihm etwas mitteilen wollte, aber nicht wagte, es niederzuschreiben, aus Angst, ein anderer könnte es lesen. Wovon er aber nach wie vor sprach, war die Absicht Königin Naísees, endlich Frieden zwischen ihren beiden Völkern zu schließen. Dann kam jener Brief, in dem K6dar verkündete, dass dieser Frieden zum Greifen nah sei und dass es vielleicht sogar bis zum Winter ein Unterpfand für ihn geben würde. Das war das letzte Mal, dass er etwas von seinem Bruder gehört hatte. In diesem Herbst war ihr Vater gestorben und Rusan hatte Kédar, der nun der Fürst der Nivard war, die traurige Nachricht geschickt - zusammen mit einer Eskorte der besten Krieger, die ihn nach Anschara begleiten sollten. Von fünfzig Männern waren drei zurückgekommen.
    Sie hatten die Leiche seines Bruders nach Hause gebracht. Auf dem Rückweg nach Anschara waren sie in einen Hinterhalt der Kjer geraten, die ihn und alt die anderen abgeschlachtet hatten. An K6dars Totenbahre hatte er Königin Naísee und ihrem Clan Blutrache geschworen. Niemals würde es Frieden zwischen Kjer und Nivard geben!
    Es hatte ihm eine bittere Genugtuung verschafft, als er einige Wochen später erfahren hatte, dass die Herrscherin der Kjer kurz nach der Ermordung seines Bruders dem Wahnsinn verfallen war. Seit jenem Tag herrschte ihr Gemahl Haffren an ihrer Stelle.
    Rusan stand auf und trat ans Fenster. In der Ferne überzogen die brennenden Inseln den Nachthimmel mit rotem Glühen. Die Angst, dass man ihm auch Ahmeer unter einem Leichentuch nach Hause bringen könnte, verfolgte ihn jede Stunde.

    ***
    Das Heulen war verstummt. Stille! Wo bin ich? Ihre Lider waren schwer und ließen sich kaum heben. Die Augen brannten und begannen, sofort zu tränen. Graue, behauene Felsen wölbten sich als Zimmerdecke über ihr. Unter sich spürte sie kühles Leinen und weiche Polster. Mit dem Bewusstsein kam der Schmerz zurück. Ihre Haut brannte und juckte. Das Schlucken tat in ihrer rauen Kehle weh. Ein dumpfes Hämmern war in ihrem Kopf Was ist passiert? Wie komme ich hierher? Mühsam setzte sie sich auf. Das Pochen verstärkte sich für einen kurzen Moment, sank dann aber wieder auf ein erträgliches Maß. Noch immer ein wenig benommen sah sie an sich herab, ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Sie trug ein langes Hemd aus hellbraunem Leinen, das ihr - zumindest nach dem Sitz der Ärmel zu urteilen - um einiges zu groß war. Eine weiche Wolldecke war bis zu ihrer Mitte herabgerutscht und hing auf der einen Seite von den Bettkissen herunter. Das Zimmer schien gänzlich aus den Felsen gehauen zu sein; Boden, Decke, Wände - alles bestand aus grauem Stein, der nur leicht geglättet worden war und durch den man die hellen Adern anderen Gesteins fließen sehen konnte. In schmalen, in den Felsen getriebenen Nischen standen flache, mit Öl gefüllte Kupferschalen, die

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