Der Kuss des Lustdämons
sich am Ablauf der Gespräche jemals etwas ändern?
Der Alte hieb mit der Faust auf den Tisch. Seine Iris wurde von rötlichem Nebel verschlungen.
„Wie kannst du es wagen, mich zu ignorieren? Du wirst jetzt hierbleiben und mit mir reden!“ Er fauchte wie eine Raubkatze. Jade verzog keine Miene. „Wiederhole, was ich dir über die Wirkung der Lustdämonen beigebracht habe.“ Richard faltete seine Hände über dem Tisch.
Na klasse, er ließ mal wieder den Oberlehrer heraus.
„Die Energie, die ein Mensch beim Orgasmus produziert, ist ähnlich einer Droge. Fängt man mithilfe eines Lustdämons die Schwingungen auf, dann kann der Konsument den Höhepunkt zehnmal intensiver erleben als der Mensch, der ihn freisetzt. Man wird in einen Rauschzustand versetzt, der bis in die tiefsten Ebenen des Verstandes führt. Die magnetische Blockade des Konsumenten wird überwunden und sein Bewusstsein ist wieder mit der Urmaterie verbunden, in der wir alle eins sind. Somit ist er in der Lage, die Scheinwelt um uns herum als das zu sehen, was sie ist und dieses Wissen zur Verbesserung der Grafik zu nutzen. Oder einfacher gesagt, er ist fähig Naturgesetze, Umgebung und Menschen zu manipulieren.“ Jade ratterte die Worte herunter als würde er aus einem Lexikon vorlesen. Rechenschaft abzulegen war eine Sache. Aber dieses ständige Pochen auf die Philosophie der Gesellschaft kotzte ihn an.
„Wie bei jeder Droge ist die Wirkung jedoch nur von begrenzter Zeit. Deshalb braucht man immer mehr von dieser Macht“, ergänzte der Weißhaarige.
„Wozu habe ich in wochenlanger Meditation diesen Dämon geformt? Um euch einen neuen Kick zu verschaffen? Verdammte Junkies!“ Jade fletschte die Zähne und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab.
Die Mumie lächelte amüsiert, als er sich zu ihm vorbeugte. „Du schmeichelst mir, mein Sohn. Aber leider haben deine Komplimente keine Wirkung. Du wandelst noch immer im Tal der Ahnungslosen!“
„Woher soll ich denn wissen, worum es geht? Ihr erzählt mir ja nichts! Immer werde ich mit Halbwahrheiten konfrontiert. Und dann soll ich funktionieren, dich nicht enttäuschen.“ Jade fühlte, dass er heute Dinge sagen könnte, die nicht mehr zurückzunehmen waren. Er musste hier raus, bevor es ihn übermannte.
„Rede nicht so einen Unsinn! Hier geht es um mehr als nur das Abtauchen in einen Rausch!“ Der ruhige Teil der Unterhaltung war beendet. „Wir alle haben die Macht, die Welt zu verändern, aber die Meisten tun es nicht. Und warum? Weil sie eine Heidenangst davor haben, ihr sicheres Plätzchen in der Gesellschaft zu verlieren! Die einen arbeiten sich tot, die anderen siechen in ihrer Unbedeutendheit dahin, zerfressen von Furcht vor dem nächsten Tag! Was für eine Verschwendung! Am Lächerlichsten sind jene, die Buße tun für ihre Sünden und zu Göttern beten. Mit ihren Emotionen nähren sie nur die Scheinwelt, in der sie sich befinden. Wir haben den Weg gefunden, die Illusion um uns herum zu durchbrechen. Wir sind wieder eins mit der Energie, die uns umgibt. Deshalb können wir sie auch manipulieren.“
„Jetzt erzähl mir nicht, dass es zum Wohle der Menschheit wäre.“ Der Zynismus war kaum zu überhören.
„Energie ist unsterblich, sie verteilt sich nur anders, wenn der Körper aufhört zu funktionieren. Wir helfen ein wenig nach, sie dahin zu lenken, wo sie unserer Meinung nach besser eingesetzt ist. Der Mensch, der bei der Hotline angerufen hat, wird vielleicht als kleines graues Licht durch die Welt spazieren. Oder sein Körper wird früher als erwartet das Zeitliche segnen. Im Endeffekt hat er sich aber an einem großen Projekt beteiligt, in dem andere ohne all diese irdischen Leiden existieren können. Für jede Freiheit muss es Opfer geben.“
„Du tust so als würden wir über eine Diät sprechen, in der wir die Süßigkeiten vom Ernährungsplan streichen. Es geht hier um Menschenleben, die zerstört werden! Mal davon abgesehen, wer sollen denn diese anderen sein? Eine ausgewählte Elite? Willkommen zurück im Dritten Reich! Das hatten wir alles schon mal.“ Während Jade sprach, gestikulierte er mit einer Hand vor dem Gesicht seines Vaters. Der Alte lachte verächtlich. Das steigerte Jades Wut noch mehr.
„Die Zeiten ändern sich, mein Junge. Am Ende werden nur noch die aufrecht stehen, die es schaffen, sich von der Illusion zu distanzieren.“ Diese Arroganz in der Stimme!
„Du meinst wohl eher diejenigen, die am Meisten an Zeit und Raum zu
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