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Der Kuss des schwarzen Falters: Erotischer Roman (German Edition)

Der Kuss des schwarzen Falters: Erotischer Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des schwarzen Falters: Erotischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Jacobi
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aufeinander, nahm einen der neuen Briefe in die Hand, zog den Bogen aus dem Umschlag und legte ihn neben den Brief vom Dachboden.
    »Nein!«, flüsterte sie vor sich hin, als sie die beiden beschriebenen Bögen vor sich liegen hatte. »Das kann nicht sein!«
    »Was meinst du?« Dora starrte ebenfalls auf den Tisch.
    »Siehst du das nicht?« Xenia tippte mit dem Zeigefinger erst auf den einen, dann auf den anderen Umschlag und anschließend auf die beiden Briefbögen.
    Dora beugte sich vor und sah noch genauer hin. »Es ist dieselbe Schrift«, stellte sie dann fest. »Aber dieses Papier sieht alt aus. Es ist vollkommen vergilbt, und die Stellen, wo es gefaltet war, sind brüchig. Der andere Brief ist dagegen offenbar erst vor Kurzem geschrieben worden.«
    Sie hob den Blick und schaute Xenia an. »Wenn tatsächlich dieselbe Person den alten und den neuen Brief geschrieben hat, kann es Erik nicht gewesen sein. Er ist höchstens 35. Der vergilbte Brief sieht aber älter aus als fünfzehn Jahre.«
    »Er ist hundertzehn Jahre alt«, erklärte Xenia mit tonloser Stimme und zeigte auf das Datum.
    »Das ist völlig unmöglich!« Energisch schüttelte Dora den Kopf. »So alt wird niemand. Es muss eine andere Erklärung geben.«
    »Ja«, stimmte Xenia ihr zu. »Und ich werde diese Erklärung finden.« Es gab Handschriften, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen. Es gab Briefe, die aus irgendeinem Grund, absichtlich oder unabsichtlich, falsch datiert wurden. Es gab … irgendeine ganz natürliche Erklärung.
    Sie faltete beide Briefbögen wieder zusammen, steckte sie in die zugehörigen Umschläge und legte sie beiseite.
    »Ich werde sämtliche Briefe im Koffer lesen«, verkündete sie entschlossen. »Zwar weiß ich, dass mich ihr Inhalt eigentlich nichts angeht, aber immerhin lebe ich hier. Ich bekomme seltsame Besuche, und Briefe liegen vor dem Haus, und der schwarze Falter …« Sie stockte.
    »Wer sollte etwas dagegen haben, dass du die Briefe liest?«, ermutigte Dora sie. »Das sind praktisch historische Dokumente. Absender und Empfänger leben schon lange nicht mehr.«
    Xenia zuckte mit den Schultern. Sie musste an Gabriel denken, der einen seltsam altmodischen Anzug getragen hatte, und ein Schauer überlief sie.

12. Kapitel
    Hamburg, den 28. Juli 1909
    Meine Liebste,
    wieder ist ein Jahr vergangen. Das achte Jahr seit jenem Tag, an dem meine Hoffnung starb, weil Du einem anderen Mann Dein Jawort gabst. Vielleicht aus Mitleid, erlaubtest Du mir, Dir in jedem Jahr einen einzigen Brief zu schicken und Dir darin von meiner Liebe zu sprechen. Damals sagtest Du, ich würde Dir höchstens ein einziges Mal schreiben und Dich dann vergessen, weil ich eine andere Frau gefunden hätte, die ich lieben und mit der ich leben würde.
    Doch wie soll ein Gefühl jemals enden, das so mächtig ist und so alt wie die Welt? Es war im ersten Augenblick da, in dem ich Dich sah, und ist seitdem mit jedem Tag nur noch tiefer geworden. Ach, Katharina! Allein an Deinen Namen zu denken oder ihn zu flüstern, bevor ich abends einschlafe, erfüllt mich mit unendlicher Freude und abgrundtiefer Sehnsucht.
    Es schmerzt mich, zu wissen, dass Du jede Nacht Dein Bett mit einem anderen Mann teilst, dennoch wünsche ich Dir alles Glück dieser Erde. Ich aber werde meinen Traum nicht aufgeben, denn vielleicht, irgendwann … eines Tages.
    Meine Mutter sagt mir oft, es sei wohl das Schicksal unserer Familie, die große Liebe zu finden und sie doch nicht leben zu dürfen. Sie geht noch immer jeden Tag zum Hafen und schaut hinaus aufs Meer. Auf jenes Meer, auf das vor mehr als zwanzig Jahren ihr Mann und mein Vater, Kapitän Hilko Flemming, hinausgefahren, und von wo er nie zurückgekehrt ist. Seitdem kennt man sie in ganz Hamburg als Kapitänswitwe Amanda. Auch sie wird ihre große Liebe nie vergessen.
    Xenia ließ den vergilbten Briefbogen sinken und starrte hinaus in die Nacht. Sie saß auf dem alten Sofa im Wohnzimmer, dessen Fenster auf die Straße hinausging, sodass Erik sie von seinem Haus aus nicht sehen konnte. Deshalb hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, die Vorhänge zu schließen, als es dunkel wurde und sie die Stehlampe mit dem gefältelten Schirm angeknipst hatte.
    Neben ihr auf dem Sofa stand der offene Handkoffer. Seit über einer Stunde las sie in den Briefen. Zunächst hatte sie sie nach ihrem Datum ordnen wollen, dann aber hatte sie einfach mit dem begonnen, den sie gerade in der Hand hielt, und anschließend nach irgendeinem anderen

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