Der Kuss des Verfemten
recht, denn es wird Euch nicht gelingen, Hand an meine Herrin zu legen.« Trotzig reckte Mathilda ihr Kinn vor. Wie sie so in ihrem hellen Unterkleid auf dem Bett hockte und ihre Augen wütend funkeln ließ, musste Rudolf lachen.
»Schau an, eine kleine Raubkatze, aber süß!« Er hob bedauernd die Schultern. »Ich glaube, wir müssen sie auch mitnehmen.«
»Heiliger Himmel, ob das gut geht?«, stöhnte Patrick. »Ihr wisst doch, wo zu viel Weiber auf einem Haufen sind, gibt es Zank und Streit.«
»Was verstehst du schon davon, du Grünschnabel?«, rügte ihn der Ältere.
Mathilda klammerte sich an Isabella, und Isabella umarmte Mathilda. »Nichts wird uns trennen«, flüsterte Mathilda, den Tränen nahe.
»Ziehen Sie sich an, meine Damen, wir werden einen kleinen Spaziergang unternehmen. Patrick, schau nach, ob die Luft rein ist!«
Der Junge verschwand aus dem Verlies, während Rudolf stehen blieb.
»Ihr könnt doch nicht stehen bleiben, wenn wir uns anziehen sollen«, meinte Isabella pikiert.
»Leider haben wir keine Zeit, uns an Anstandsregeln zu halten. Außerdem ist mir mein Kopf lieber als eine Dame im Unterkleid. Werft Euch den Umhang über und kommt mit! Wir können über einen Geheimgang aus der Burg gelangen, aber nur, wenn Ihr leise seid.«
»Schickt Euch mein Vater?«, fragte Isabella, während sie sich ihr Kleid überzog und einen Mantel überwarf.
»So ähnlich«, gab der Fremde ausweichend Auskunft. »Und beeilt Euch bitte.«
Leise öffnete er die Tür und achtete darauf, dass sie nicht knarrte.
Er fasste Isabellas Hand, während er mit der anderen Hand die Fackel vor sich hielt.
»Hierher, Herr, es ist niemand auf dem Gang«, flüsterte Patrick ganz in der Nähe. Isabella fasste Mathildas Hand, und sie hasteten durch den engen Gang über eine schmale Steintreppe hinunter in die Gewölbe. Isabella stolperte über etwas, das auf dem Boden lag.
»Vorsicht!«, warnte Rudolf sie und hielt die Fackel hoch. Isabella stieß einen kleinen Schrei aus, als sie erkannte, dass es ein menschlicher Körper war.
»Still, hier sind noch mehr Soldaten«, warnte Patrick. Sie liefen weiter bis zu einem kleinen Seitengang. Patrick stemmte sich ächzend gegen die Wand, bis der Stein nachgab.
Mathilda presste angstvoll ihre Hände aufs Herz, um das heftige Klopfen zu unterdrücken. »Heilige Mutter im Himmel, steh uns bei, beschütze das Leben meiner Herrin und auch meines, wir werden dir unsere Jungfräulichkeit weihen und fortan unser Leben im Kloster verbringen, um ganz in deinem Dienst zu stehen«, murmelte sie unentwegt.
»Versprecht nicht Dinge, die Ihr nicht halten könnt«, sagte Rudolf spöttisch und zog die beiden Mädchen in den finsteren Gang.
»Ihr seid ein Flegel!«, begehrte Mathilda auf, doch der Fremde antwortete nicht. Der Boden des Ganges war glitschig, Wasser tropfte von der Decke, und Spinnweben klebten in ihren Gesichtern.
»Gibt es hier Ratten?«, fragte Isabella voll Unbehagen.
»Die ganze Burg ist voller Ratten«, antwortete Rudolf zweideutig. Vor sich hörten sie Patrick, der sich an den Wänden entlangtastete und leise fluchte.
»Patrick, fluche nicht, wir sind in Gesellschaft von Damen!« Es klang spöttisch, und Isabella war sich nicht im Klaren, auf wen sich der Spott des Fremden bezog.
Endlich erreichten sie das Ende des Ganges, und sie kletterten hinter einem stacheligen Gebüsch aus einer Erdgrube. Isabella spürte, dass ihr Kleid einigen Schaden genommen haben musste, es klebte an ihren Beinen, und mehrmals war sie mit dem Rock hängen geblieben. Auch Mathilda ging es nicht besser, doch ihr Mundwerk stand nicht einen Augenblick still. Sie betete zu allen Heiligen, ihr aus diesem Schlamassel zu helfen.
Ganz in der Nähe vernahmen sie das Schnaufen von Pferden. »Wir haben ein Pferd zu wenig«, erklang Patricks Stimme.
»Kein Problem«, erwiderte Rudolf. »Ich nehme die kleine Wildkatze mit auf mein Pferd, sonst entspringt sie mir noch. Und das wäre doch schade.«
Mathilda zischte empört, doch Rudolf presste seine Hand auf ihren Mund. »Psst, die Wachen auf dem Turm können uns hören. Und ich will keinen Pfeil zwischen meinen Rippen spüren. Patrick, hilf der edlen Dame aufs Pferd! Ihr könnt doch reiten, Isabella?«
»Natürlich kann ich reiten«, erwiderte sie.
»Ich meine, im Herrensitz. Leider stand uns kein geeigneter Damensattel zur Verfügung.«
»Was? Nein? Das ziemt sich nicht.« Sie blieb empört stehen.
Rudolf schob sie etwas unsanft zum Pferd. »In
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