Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
die, die er dem Steuereintreiber des Königs vorgelegt hat, dafür war ein anderer Buchhalter zuständig. Ich bin nicht gewieft genug, um Gelder verschwinden zu lassen. Ehrliche Buchführung liegt mir mehr.«
Das entlockte ihm erneut ein Kichern. »Ich halte das für eine bessere Qualifikation, als dein Tonfall andeutet. Ich glaube nicht, dass ˒Königin Kelly˓ Wert darauf legt, jemanden in ihre Dienste zu nehmen, der Geld veruntreut.«
»Mmm. Unwahrscheinlich. Aber wenn eine andere zukünfige Braut hier auftaucht und sich als bessere Buchhalterin erweist, trete ich gern von diesem Posten zurück. Solange ich die Herrin der Herden oder etwas in dieser Art sein kann«, murmelte sie, als der Schlaf sie zu übermannen begann. »Weil ich … wirklich gern … Milchkühe hätte.«
Wolfer gähnte, als er spürte, dass sie eingeschlafen war. Ihm wären frische Milchprodukte auch lieber als der alte Käse, den sie den Händlern abkauften. Aber wie so viele andere Dinge konnte auch diese Diskussion auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Morgen war auch noch ein Tag.
Morganen blickte stirnrunzelnd in den ovalen Spiegel, der flach auf seinem Arbeitstisch lag. Er rieb sich die schlafverklebten Augen, während er die beiden Gestalten beobachtete, die sich in dem silbrigen Glas materialisierten. Bei der linken handelte es sich um Donnock of Devries, bei der rechten um seinen Bruder Broger. Er hatte die Brüder schon oft mit Hilfe dieses Spiegels ausspioniert – was ungewöhnlich war, war die Uhrzeit. Der jüngste Magier-Bruder hatte nur ein paar Stunden Schlaf gefunden, bevor das leise Läuten seines Warnzaubers ihn geweckt hatte.
»Vor einer Woche bekomme ich keine Verbindung«, erklärte Donnock gerade. »Über dem Faraday Valley stimmt mit dem Äther etwas nicht, hat der Teleporter gesagt.«
Morg lächelte, während er sich erneut die müden Augen rieb. Er hatte dafür gesorgt, dass der Äther zwischen der Ostküste Katans und den Corvis-Ländereien unpassierbar war, um die beiden aufzuhalten.
»So lange kann ich nicht auf dich warten«, schnarrte Broger. »Such einen anderen Weg. Umgeh das Problem in nörlicher oder südlicher Richtung; komm über Castrin oder Idella City.«
»Das kostet mich den größten Teil meiner Goldstücke!«, protestierte Donnock.
»Die Kosten spielen keine Rolle!«, gab Broger scharf zurück. Seine Hängebacken bebten leicht – das Alter begann ihn zu zeichnen, wie der ihn schweigend beobachtende Morganen registrierte. »Sieh zu, dass du innerhalb der nächsten siebenundvierzig Stunden hier bist! Und iss ab jetzt bis zu deiner Ankunft nur Fleisch!«
Der Spiegel trübte sich; das Zeichen dafür, dass das Gespräch beendet war. Morganen lehnte sich stirnrunzelnd zurück. Warum war der gute Onkel Broger so erpicht darauf, dass sein Bruder innerhalb von zwei Tagen zurückkehrte? Und was noch merkwürdiger war – warum bestand er darauf, dass Donnock nur Fleisch aß?
Es sieht so aus, als würde er seinen Bruder für irgendein Ritual vorbereiten. Es gibt ein paar Zauber, die erfordern, dass sich der Körper eines Magiers im Einklang mit seinen Energien befindet … aber in allen Fällen, von denen ich gehört habe, durfte der Magier kein Fleisch essen … Morganen schüttelte den Kopf. Sein brustlanger Zopf aschblonden Haares fiel über seine Schulter. All das war äußerst seltsam.
Seine Brüder mochten ihm vorwerfen, allwissend zu sein, aber das traf nicht zu. Es gab viele Dinge, die er nicht wusste. Und ganz sicher wusste er nicht das, was Broger of Devries, unrechtmäßiger Graf von Corvis, zu wissen schien.
Das ist auch etwas, was ich Alys morgen früh fragen muss – oder vielmehr in ein paar Stunden , dachte er trocken. So müde er war, er musste jetzt herausfinden, welche Art von Ritualen von einem Magier verlangten, nur Fleisch statt Früchte und Gemüse zu essen. Nachdem die Oberfläche des Spiegels auf dem Tisch wieder klar geworden war, trat er zu einer Wand und berührte einen der Steine. Diese erkannten seine Aura sofort und lösten sich auf.
Die Kammer dahinter, an deren Wänden sich Regale entlangzogen, war kein eigentlicher Bestandteil seines Arbeitsturms, sondern existierte auf einer Ebene tief darunter. Mittels einer Reihe ausgeklügelter Zauber war es ihm gelungen, einen Weg zu finden, Bücher zu kopieren, die er mittels eines Fernsichtspiegels ausfindig gemacht hatte. Dieser Raum war seine private Bibliothek und enthielt Bände aus den Archiven Hunderter
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