Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
um zu überleben, verzeihen konnte, dass er sie immer noch liebte und zu einem Teil seines Lebens machen wollte, aber die Wut, die in ihm brodelte, basierte auf zwei Auslösern: dem schwer zu unterdrückenden Gefühl des Verrats, weil sie ihrem Onkel geholfen hatte, ihn und seine Brüder mit Plagen heimzusuchen, obwohl sie sich nicht dagegen hatte wehren können, und glühendem Hass auf Broger selbst. Er wollte dem Mann das Fleisch von den Knochen reißen und ihm die Zähne tief in die Kehle graben. Aber trotz allem, was er ihr angetan hatte, fürchtete sich Alys davor, dass jemand ihren Onkel tötete.
Sie würde auch einige Erklärungen abgeben müssen, zum Beispiel, mit welchen Zaubern genau er sich schützte, welche Arten von Magie er am wahrscheinlichsten gegen sie einsetzen würde, was für Monster er ihnen schicken konnte und wo sie gehalten wurden, falls es ihnen gelang, seine Menagerie irgendwie auszurotten, während er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes konzentrierte. Oder wir informieren den Rat der Magier, wo dieser verbotene Zoo zu finden ist, und lassen ihn den Monsterbau für uns ausräuchern.
Vorausgesetzt, sie konnten den Rat zur Zusammenarbeit bewegen, natürlich. Ein anonymer Hinweis dürfte das Beste sein. Aber damit war nur das Problem der magischen Bestien gelöst und nicht die Wurzel desselben vernichtet: Broger of Devries.
»Willst du zu ihr gehen?«, bohrte Rydan weiter, was Wolfer aus seiner Versunkenheit riss und ihn bewog, seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen dunkelhaarigen Bruder und den Grund dafür zu richten, weshalb er sich so heimlich an ihn herangepirscht hatte.
»Wieso? Weißt du, wo sie ist?«, gab er giftig zurück.
»Ja.«
Die Antwort seines Bruders überraschte ihn – nicht, weil Rydan wusste, wo Alys zu finden war, sondern weil in dem einen Wort eine unüberhörbare Bedingung mitschwang. Wolfer lehnte sich gegen den Jinga als Liebhaber gewidmeten Altar und verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. »Und?«
»Und gedenkst du, sie zu fragen oder gleich loszubrüllen?«, erkundigte sich Rydan gelassen.
Ach, so willst du das Spiel spielen, Bruder , dachte Wolfer. Er lockerte seine Haltung ein wenig und schlug die Fußknöchel übereinander. Jinga hatte sicher nichts dagegen, dass er auf der Kante seines Altars hockte; im Gegensatz zu der konventionelleren Göttin Kata sah er die Dinge lockerer. »Wie kommst du darauf, dass ich überhaupt eines von beidem tun könnte?«
Die letzten bleichen Strahlen von Schwester Mond erstarben; die Lichtsichel war hinter dem Horizont versunken, nun fiel nur noch der Schein von Bruder Mond durch die gläserne Hauptkuppel des Daches. »Sie sagte, bevor sie das Amulett angefertigt hat, das seine Magie außer Kraft setzt, hätte ihr Onkel über die Macht verfügt, ihr mit einem Wort die Lebenskraft aus den Adern zu saugen, wovor sie in ständiger Angst gelebt hat.«
»Ich weiß.« Wolfers Mundwinkel zuckten, als Rydan – nur einen Moment lang – durch dieses Eingeständnis aus der Fassung gebracht wurde. Natürlich war ihm dieses spezielle Detail nicht bekannt gewesen, aber er hatte von dem Amulett und den Fähigkeiten ihres Onkels gewusst, sie ohne diesen Schutz mühelos wieder aufzuspüren.
Der verwirrte Ausdruck, der über das Gesicht des jüngeren Mannes gehuscht war, machte einem sardonischen Lächeln und hochgezogenen Brauen Platz, als Rydan die Haltung seines älteren Bruders nachahmte und die Arme vor der Brust verschränkte. »Warum bist du dann noch hier?«
»Ich will mit ihr reden, wenn ich nicht mehr wütend bin.«
Das Mondlicht wurde diffus, als eine Wolke über ihre einzige Lichtquelle hinwegzog. »Aber du bist doch nicht auf sie wütend.«
Wolfer machte sich nicht die Mühe, zu fragen, wie sein Bruder zu dieser Erkenntnis gelangt war. Die Instinkte des jüngeren Magiers waren manchmal schärfer als seine eigenen, denn Wolfer verließ sich mehr auf sein animalisches Bauchgefühl. Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie macht mich nicht wütend, sondern die gesamte Situation. Es … es hat mich aus der Fassung gebracht, dass sie ihm geholfen hat, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er sie dazu getrieben hat. Sie mit brutaler Gewalt gezwungen hat. Dass er ihr immer noch Angst einjagt. Sie sollte sich vor niemandem mehr ängstigen müssen.«
Eine blasse Hand, die fast wie vom Körper losgelöst wirkte, weil Rydans Ärmel mit der Dunkelheit verschmolz, legte sich kurz auf seine Schulter. »Dann
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