Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
diese Gefühle durfte sie natürlich nicht hegen. Sie erinnerte sich daran, warum sie miteinander geschlafen hatten: damit der Stab sie nicht dazu trieb.
Er war nicht nur wild, fordernd und erregend, sondern auch zuvorkommend, aufmerksam und zärtlich gewesen. Was war nur, wenn er der beste Liebhaber sein sollte, den sie jemals hatte?
Eine von Jordans Erinnerungen drang nun wie ein Albtraum in ihren Kopf ein. Aber Vivianne war wach. Und sie musste entsetzt zusehen.
»Trendonis, was hast du getan?« Eine jüngere Version von Jordan beachtete die Laserwaffe nicht, die auf ihn gerichtet war, und bezwang die Panik, die rasiermesserscharf in seiner Brust aufzusteigen drohte.
Mit einem triumphierenden Glitzern in den Augen schwenkte Trendonis seine Waffe und bedeutete Jordan, er solle zum Sichtschirm des Raumschiffs gehen. »Ich habe die Höhe verringern lassen, damit du einen guten Blick hast.«
Jordan spähte aus dem dreieckigen Fenster und sah seine Heimatwelt Dominus. Sein Blut gefror, als er Hunderte todbringender Raketen sah, die auf seine Heimat zuhielten.
»Nein!« Jordan ballte die Fäuste. Diese Raketen würden Bauernhöfe, Städte, Schulen und Krankenhäuser treffen. So viele würden sterben müssen.
Jordan wirbelte herum und machte einen Schritt auf Trendonis zu, der höhnisch eine Braue hob. »Die Stämme nehmen keinen Widerstand hin.«
Jordans Stimme schwankte. »Bitte nicht.«
»Sieh hin.« Trendonis bohrte ihm die Waffe in die Seite.
Er taumelte zum Sichtfenster zurück. Die Raketen waren offenbar noch nicht in die Atmosphäre eingedrungen. »Ruf sie zurück.«
»Dafür ist es zu spät.«
»Dann bring sie zur Explosion, solange sie noch im Weltraum sind. Bitte.« Jordan wusste, dass sein Flehen eine reine Verschwendung von Atemluft war.
Trendonis lachte, in seinen Augen glitzerte es vor Belustigung. »Wenn unsere Planetensprenger einmal abgefeuert sind …«
»Planetensprenger?« Jordan sackte zusammen. Er konnte kaum begreifen, was hier geschah. Dieser Mann hatte absichtlich die Zerstörung einer ganzen Welt befohlen. »Hast du den Verstand verloren?«
»Jetzt wirst du sehen, was mit einem Volk geschieht, das den Stämmen Widerstand leistet.« Trendonis schnippte mit den Fingern. »Es verschwindet von der Bildfläche.«
Jordan zuckte zusammen. Nun schlug dort unten die geballte Kraft der Geschosse zu. Die Sprengköpfe waren darauf programmiert, in geeigneter Tiefe zu detonieren. Die Meere brodelten auf. Ein ganzer Kontinent erbebte, brach auseinander und ging unter. Die Pole sandten Flutwellen, Lava und Asche aus.
Die Luft selbst wurde zu flüssigem Feuer. Und er konnte gar nichts tun, um die Einäscherung von Dominus zu verhindern.
Das war das Ende von allem und jedem, was er kannte. Seine Heimat gab es nicht mehr. Ebenso wenig seine Eltern. Seine Freunde. Der Kern des Planeten kochte auf, erreichte die kritische Temperatur und explodierte. Milliarden von Menschen wurden in einem einzigen Augenblick vernichtet. Ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Kunst, all dies war verschwunden.
»Du hast sie alle getötet.« Tränen rannen an seinen Wangen herab, als er sich dem Mann zuwandte, in dem er einen Freund gesehen hatte. »Töte auch mich.«
Die Erinnerung endete so plötzlich, wie sie begonnen hatte. Die Zerstörung seiner Welt mochte bereits vor Jahrhunderten stattgefunden haben, doch der Schmerz, den Jordan noch immer darüber empfand, erfüllte nun auch Vivianne durch und durch. Sie schmeckte seine Verbitterung. Sie verstand seine Wut. Er hatte ihr die Geschichte erzählt, doch erst jetzt litt sie mit ihm. Erst jetzt empfand sie die Raserei, die ihn in ihren Klauen hielt, und die Entschlossenheit, mit der er Trendonis und die Stämme aufhalten wollte.
Jordan stand auf der Seite der Erde. Die letzten Zweifel fielen von ihr ab.
Dennoch war es ihr noch nicht möglich, ihre Vorsicht abzulegen.
Jordans Warnung, er werde in der Zukunft nicht für sie da sein, erschien ihr so weit weg, und sie war doch noch immer eine Pragmatikerin. Sie würde mit ihm zusammenarbeiten, würde auch mit ihm schlafen, durfte aber keine Gefühle für ihn entwickeln, und zwar nur darum nicht, weil er jeden Zoll von ihr liebkost hatte. Sie würde doch keinem Mann verfallen, der ihre Welt retten wollte und dessen Erfolg seinen Tod bedeutete. Das würde sie sich nicht antun. Und auch ihm würde sie es nicht antun.
17
Jetzt ist die Zeit zu träumen .
Die Herrin
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