Der Kuss Im Kristall
an den Duft ihres Haares erinnern, daran, wie süß ihre Lippen schmeckten, wie sich ihr Körper anfühlte …
Und jetzt gleich würde er ihr wieder begegnen. Sie würde nicht erfreut sein, ihn zu sehen. Zu Recht würde sie von ihm den Anstand erwarten, dass er sie in Zukunft nicht mehr behelligte. Aber er fühlte sich vollkommen machtlos. Er begriff, dass er nie fähig sein würde, sich von Alethea fernzuhalten. Aber er musste einen Weg zur Wiedergutmachung finden. Je eher, desto besser. Heute Abend.
„Du bist in schlechter Stimmung, Rob“, bemerkte Douglas und unterbrach damit seine finsteren Gedanken. „Meinst du, das Fest kann dich aufheitern?“
„Ich hätte heute niemanden mit meiner Laune belästigt, wenn du nicht darauf bestanden hättest, dass wir heute zu Mrs. Forbush gehen“, log er.
„Ich sitze nicht gern zu Hause herum“, gestand Douglas. „Außerdem galt die Einladung dir. Ich begleite dich nur. Du erweist mir also einen Gefallen, indem du hingehst.“
„Und worin, Doogie, erweise ich dir einen Gefallen?“
Douglas schenkte ihm jenes etwas schiefe Lächeln, das die Damen um den Verstand brachte. „Sie ist die Schönste im ganzen Land, Rob. Ihre Augen strahlen wie der Sommerhimmel. Ihr Haar ist aus purem Gold. Wenn sie lacht, singen die Engel.“
„Und um welches holde Geschöpf handelt es sich diesmal, Doogie?“
„Dianthe Lovejoy. Selbst ihr Name ist reine Poesie.“
Rob schloss die Augen und betete stumm um Geduld. War er dazu verdammt, überall auf Lovejoys zu treffen? Es hatte keinen Sinn, Douglas daran zu erinnern, dass er beinahe dasselbe vor knapp zwei Wochen über Bebe Barlow gesagt hatte. Sein Bruder würde nur schwören, dass dies hier etwas anderes war. Nun, warum nicht? War es nicht mit Douglas immer so? Leicht entflammbar, rasch verliebt und rasch geheilt.
„Verdreh nicht die Augen, Rob McHugh. Wir niederen Sterblichen machen nun einmal Fehler. Nur gottgleiche Geschöpfe wie du sind mit Zurückhaltung gesegnet und mit ewiger Liebe.“
„Ewige Liebe? Glaubst du, dass Maeve und ich das hatten?“, fragte er. „Glaubst du, ich trauere um sie? Dass keine andere ihr gleichkommt?“
„Ist es nicht so?“
Nein, Trauer war es nicht, was er empfand. „Mach was du willst, Doogie.“
Sein Bruder sah aus, als wollte er ihm eine Frage stellen, aber die Kutsche hielt vor dem Haus der Forbushs an. Es war Zeit für Rob, mit seinen Sünden abzurechnen.
Alethea wusste, sie würde den Verstand verlieren, wenn sie zu lange über das Ereignis in McHughs Zimmer nachdachte. Seit sie am vergangenen Abend nach Hause zurückgekehrt war, fühlte sie sich übermäßig angespannt. Es gelang ihr einfach nicht, die Gefühle zu verdrängen, die McHugh in ihr ausgelöst hatte. Wer war sie? Was war sie? Sie erkannte sich kaum wieder, seit dieser Mann in die Stadt gekommen war.
Sie holte tief Luft, strich den seidenen Rock glatt und zog das fliederfarbene Band fest, das ihr Haar auf dem Kopf zusammenhielt. Es war an der Zeit, sich zu den Gästen zu gesellen. Sir Martin bahnte sich den Weg zwischen den anderen hindurch auf sie zu, und sie hatte die Absicht, sich von ihm umwerben zulassen. Alles würde sie tun, nur um McHugh zu vergessen und die vergangene Nacht aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Aber wenn Alethea ehrlich zu sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass sie sich nach ihm sehnte, so heftig, dass das Gefühl beinahe einem körperlichen Schmerz gleichkam.
Bei dem Gedanken an McHughs Küsse, an seine Berührungen, wurde ihr heiß, und in ihren Brüsten prickelte es, als sie daran dachte, wie sich seine Lippen auf ihrer Haut angefühlt hatten. Sie musste aufhören. Liebe Güte! Wie hatte sie ihn in dem Glauben lassen können, dass sie in seinem Zimmer gewesen war, damit er sie verführte? Aber war das nicht besser als die Wahrheit? Dass sie es für möglich hielt, er sei ein Mörder?
Leider war es aber auch so, dass sie beide – gleichgültig, wie es begonnen hatte – es gewollt hatten. Sie war bereit gewesen, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen und ihren Ruf, Dianthes Zukunft und den Namen ihrer Familie aufs Spiel zu setzen – nur, um herauszufinden, was sie am Ende des Weges erwartete. Nun, sie hatte es nicht herausgefunden, und sie befürchtete, dass ein Teil ihrer Anspannung daher rührte.
Wegen des Lächelns auf Sir Martins Gesicht ging sie davon aus, er glaubte, sie wäre seinetwegen errötet. „Höchste Zeit, Miss Lovejoy! Erst durch Ihre Anwesenheit hat das
Weitere Kostenlose Bücher