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Der Kuss

Der Kuss

Titel: Der Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kooky Rooster
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als sie die Tür zu Michaels Zimmer aufstieß. Dieser lag zusammengekrümmt auf dem Bett, in Kleidung und mit dem Rücken zu ihr. „Alles in Ordnung?“, fragte sie. Michael zuckte nur ein bisschen mit den Schultern.
    „Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!“, forderte sie. Es brauchte eine Weile, bis Michael Folge leistete und sich nur widerwillig zu ihr herumdrehte. Seiner Mutter entglitten die Gesichtszüge, ihr Kiefer klappte auf und wieder zu und mit großen Augen setzte sie sich zu ihm aufs Bett.
    „Was ist passiert?“, fragte sie und presste ihre Lippen zwischen die Zähne, machte sie schmal – versuchte damit zu verhindern, dass sie bebten – Schwäche zeigten. Michaels Lippe war blutig angeschwollen, aber das war gar nicht das Schlimmste. Stundenlanges Heulen ließ seine Augen tiefrot leuchten, die Augenlider waren dick und verkrustet, die Haut seines Gesichts leichenblass und mit hässlichen roten Flecken versehen.
    „Nichts“, murmelte er leise und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie legte eine Hand auf seine Schulter, seufzte tief. Das Bett hob sich, als sie aufstand und ohne eine weitere Frage aus dem Zimmer stöckelte.
    ***
    Michael stand, mit einem Fetzen Papier in der Hand, vor dem Regal und verglich die Logos der Produkte. Wenn ein anderer Kunde in diese Abteilung kam, drehte er sich verlegen um und betrachtete mit gespieltem Interesse Katzenfutterdosen. Kaum war er wieder allein, schnellte er herum, verglich weiterhin Farben und Logos der Packungen mit jener Probe zwischen seinen Fingern. Für ihn war irgendwie alles dasselbe. Himmel, das waren doch nur Damenbinden, was konnte da schon für ein großer Unterschied zwischen den einzelnen Sorten bestehen?
    Dennoch hatte seine Mutter ziemlich Stress gemacht, bloß ja die exakt richtigen mitzubringen.
'Sonst darfst du sie einen Tag lang probetragen, dann verstehst du den Unterschied!',
hatte sie ihm gedroht. Ja, er hatte ihr in der Vergangenheit schon einmal die Falschen mitgebracht – und offenbar war das für sie eine unglaubliche Tragödie gewesen.
    'Kauf sie dir doch selbst',
wäre ein gutes Argument gewesen, ginge es nicht um seine Mutter, denn sie zählte dann haarklein auf, welch ekelige Sachen sie für ihn schon hatte mitmachen müssen. Bevor sie die sechzehn Stunden Geburtswehen und den Dammriss schildern konnte, war er los gezogen – sie konnte unfassbar detailverliebt werden, wenn sie ihn in die Ecke treiben wollte.
    Seine Mutter hatte ihm, zur visuellen Unterstützung, ein Schnipsel von der Verpackung ihrer bevorzugten Sorte in die Hand gedrückt. Da stand er nun. Grüne Packung … grüne Packung … aber da gab es frosch- und blattgrün, türkis, sogar mint; außerdem – wozu waren Flügel da? War ultradünn gut oder schlecht? Was sollten die – oh Gott – Tropfen anzeigen? Boah, doch nicht etwa … Eine Verkäuferin zu fragen stand nicht zur Debatte, er hätte sich in Grund und Boden geschämt.
    „Das sind
die
hier“, erklärte plötzlich eine vertraute Stimme halb hinter ihm. Im nächsten Moment schmiegte sich ein warmer Körper an seinen Rücken, und ein Arm langte an seinem Ohr vorbei – grapschte nach einer der Packungen. Michael quietschte schrill auf vor Schreck. Er hatte Lukas' Kommen weder gesehen noch gehört. Dieser musste regelrecht an ihn heran geschlichen sein. Nun konnte Michael ihn sogar riechen, und er sog den Duft tief in seine Nase. Ihm schlotterten die Knie, und von seinem Nabel abwärts bohrte sich ein Speer ziehenden Schmerzes.
    Lukas knallte ihm die Packung gegen die Brust, und Michael fing sie mit zittrigen Fingern auf. Unter den Damenbinden für seine Mutter wummerte sein Herz. Tat das weh, Lukas zu sehen! Dieser blinzelte unangenehm berührt, als er den dunkelroten Wulst auf Michaels Lippe entdeckte, zuckte unschlüssig mit den Schultern und seufzte.
    „Für meine Mutter“, stammelte Michael, grinste verlegen und wackelte dabei mit der Packung Damenbinden.
    Lukas sah ihn eine verstörende Weile ausdruckslos an und formulierte schließlich ein langsames: „Ja! Das hab ich mir schon gedacht.“
    Michaels Wangen brannten.
    „Ich – muss dann mal wieder …“, erklärte er rasch, drehte sich um, und während er aus der Abteilung stürzte hielt er die Luft an. Als wolle er sich damit für seine Aufregung bestrafen, atmete er so lange nicht, bis er Sternchen zu sehen begann. Erst dann schnaufte er, musste sich dabei nach vorne beugen und auf seinen Knien abstützen.
    Raus hier! Schnell zur

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