Der Kuss
nahm aber letztendlich die Münzen an, die Lukas ihr entgegen streckte. Klimpernd verstaute sie das Geld, riss den Kassenbon ab und reichte ihn Michael. Mit zitternden Fingern verstaute er die Rechnung, mitsamt dem Fünfziger, klappte die Börse zu, schnappte die Damenbinden und stürzte, ohne sich umzudrehen, aus dem Geschäft ins stickige Freie.
Scheiße, war das peinlich.
Michael beschleunigte das Tempo, wollte Lukas abhängen. Wozu kaufte dieser Kondome? Schon klar, wozu genau, aber – seit wann hatte er eine Freundin? So routiniert, wie Lukas die Packung auf den Einkauf geschleudert hatte, war es nicht das erste Mal. Andererseits, was hatte Michael erwartet? Der Kerl sah gut aus, er war cool, er hatte ein Moped, braungebrannte Muskeln, langes Haar, eine eigene Wohnung – mehr oder weniger war er ein einziger Frauen-Magnet.
„Na, was war denn da drinnen los?“, keuchte Lukas und schnalzte Michael dabei mit den Fingern gegen den Nacken. Offenbar war er schnell gelaufen, um ihn einzuholen. Michael legte einen Zahn zu, versuchte Lukas abzuschütteln.
„Kannst du mal …?“, bat Lukas, und knallte die mit Junkfood befüllte Tasche gegen Michaels Bauch und Oberschenkel. Im Reflex packte Michael zu und im nächsten Augenblick trug er Lukas' Einkauf, während dieser Zigaretten und Feuerzeug aus seinen Hosentaschen kramte und sich eine anzündete. Dabei schien er Probleme mit der Flamme zu haben –
'zapp, zapp zapp'
, kämpfte Lukas mit dem Reibrad, und als Michael ihn verstohlen musterte, meinte er zu beobachten, dass Lukas Finger zitterten.
Schließlich blieb dieser stehen, um sich besser auf das Entzünden der Zigarette konzentrieren zu können. Widerwillig verringerte Michael sein Tempo und ächzte genervt über seine eigene Blödheit. Eigentlich sollte er den Einkauf fallen lassen, und seinen Nachbar einfach stehen lassen und weiter marschieren.
„Geht schon wieder!“, brummte Lukas, als er wieder aufgeholt hatte und grapschte nach der Tasche. Als Michael ihm den Einkauf übergeben wollte, langte Lukas nicht nur nach dem Tragegriff, sondern legte seine Finger um die seines Freundes. Es wirkte fast so, als wollte er ihm die Tasche nur abnehmen, um Michaels Hand zu umschlingen. Michael wand seine Finger schweren Herzens aus dem zärtlichen Griff und wischte sie demonstrativ an seinem Pulli ab.
„Na, aber ich bin doch nicht giftig!“, beschwerte sich Lukas, dem diese Geste nicht entgangen war.
„Da bin ich mir nicht so sicher!“, brummte Michael in seinen nicht vorhandenen Bart.
„Was?“, fragte Lukas unsicher und rempelte ihn dabei freundschaftlich mit der Schulter.
„Lass mich einfach in Ruhe, ja?“, brüllte Michael – während er zur Seite sprang – viel lauter, als geplant – erschreckte damit nicht nur Lukas, sondern auch sich selbst
„Wowowow!“, kam es von diesem, und er zog seine Schultern hoch und hob beschwichtigend die Hand mit der Zigarette – die andere war mit dem schweren Einkauf behangen. „Du scheinst echt sauer auf mich zu sein.“
Michael zischte und schüttelte fassungslos den Kopf, beschloss, darauf nichts weiter zu sagen.
„Mann, Michael!“
„Ist es wegen der Lippe?“
„Tut sie weh?“
„Redest du jetzt nicht mehr mit mir?“
„Soll ich mich entschuldigen?“
„Okay, okay, es tut mir leid, dass ich dir das Gesicht verschandelt hab!“
„Ach komm schon.“
„Ich hab mich doch entschuldigt.“
„Sag was. Irgendwas!“
So ging das in einer Tour, bis sie das Wohnhaus erreichten. Michael schwieg beharrlich, was ihm zunächst schwer fiel – doch je mehr Lukas um Aufmerksamkeit bettelte, umso besser gefiel er sich in dieser Rolle des schweigsamen Mannes. Als er den Schlüssel ins Schloss steckte, um aufzusperren, hielt Lukas ihn auf, indem er seine Hand sachte fest hielt. Diese Berührung war so zärtlich, dass sich Michael beinahe herumgedreht und Lukas an den Hals geworfen hätte. Stattdessen mahlte er mit dem Kiefer.
„Willst du mir für immer böse sein?“, fragte Lukas leise und schob sich näher an seinen Freund, streifte mit seiner Wange Michaels Ohr. Unter einer heftigen Gänsehaut richteten sich fast schmerzhaft alle Härchen auf, Michael schloss die Augen und schluckte heftig, seine Erektion stemmte sich gegen den Hosenstall. Widerwillig – es zerriss ihm fast das Herz – schüttelte er Lukas' Hand grob ab, wand sich aus der verstörenden Nähe und öffnete die Haustür.
Flink zwängte er sich ins Haus und konnte nicht
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