Der lächelnde Henker
liegenden runden Gegenstand.
Er war schon darüber hinweggeglitten, als ich die Hand noch einmal zurückbewegte.
Kein Zweifel. Vor mir lag ein Kopf!
***
Im ersten Moment war ich unfähig, mich zu bewegen, obwohl ich eigentlich damit hatte rechnen müssen. Trotzdem traf mich dieser Anblick schockartig, denn auch ich bin keine abgebrühte Maschine. Der schwarze Henker hatte also zugeschlagen!
Ein junges Gesicht starrte mich an. Anklagend. Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Ich merkte, wie es in meinen Augen feucht wurde. Gleichzeitig stieg ein ungeheurer Zorn in mir hoch, der schon den Namen Haß verdient hatte.
Ja, Haß auf diese schreckliche und grausame Bestie, die sich nicht scheute, Unschuldige auf diese Art und Weise umzubringen. Ich merkte kaum, daß Suko hinter mir stand. Er flüsterte irgend etwas, das ich nicht verstand, auf jeden Fall war er ebenso geschockt wie ich. Was tun?
Der Kopf lag dicht neben einer nach oben führenden Treppe. Vielleicht zwei, drei Schritte entfernt. Und in seiner Nähe entdeckte ich auch den Körper.
»Geh vor«, sagte Suko und drückte mir seine Hand in den Rücken. Ich stolperte in den nächsten Raum hinein, die Haut hatte sich zusammengezogen, ich fröstelte vor Entsetzen.
»John, wir müssen jetzt die Nerven bewahren!« hauchte mein Partner. »Es geht nicht anders.«
Da hatte Suko recht. Es fiel mir verdammt schwer, seinen Wünschen nachzukommen. Die Szenen, die wir hier erlebten und verkraften mußten, waren einfach zu schlimm.
Da setzt der menschliche Verstand aus, er weigert sich einfach, Dinge zu begreifen, weil sie so außerhalb jeglicher Legalität stehen und mit dem normalen Verstand nicht erfaßt werden können.
Es sollte noch schlimmer kommen.
Diesmal entdeckte Suko den zweiten Toten. Mein Freund hatte sich von mir entfernt, war zur Seite gegangen und leuchtete mit seiner Lampe nach rechts.
Automatisch folgte ich mit meinen Blicken dem wandernden Strahl und bekam im nächsten Augenblick den zweiten Schock.
Wieder war es der Kopf eines jungen Menschen, der vor uns am Boden lag, und abermals wiesen alle Spuren darauf hin, daß es nur der schwarze Henker gewesen sein konnte, der diesen Menschen getötet hatte.
»Begreifst du das?« flüsterte Suko rauh.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Das will einfach nicht in mein Gehirn hinein. Ich komme da nicht mit. Damals, in Pitlochry, konnte man noch von einem Motiv reden. Wenigstens in etwa. Es war eine alte Rachegeschichte, aber hier mordet er wild. Jeder Mensch, der ihm in die Quere kommt, wird von ihm getötet. Weshalb, Suko? Das frage ich dich. Aus welchem Grunde tut er das?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und ich auch nicht. Tut mir leid«, erwiderte ich verbittert und mit erstickt klingender Stimme.
Ich verfluchte in diesen Augenblicken innerlich meinen Job und alles, was damit zusammenhing. Wäre ich Beamter in der Registratur geworden, wäre mir so etwas erspart geblieben.
»Wir müssen weitermachen«, sagte Suko, »vielleicht sind es nicht die einzigen…«
»Hör auf, Mensch.«
Wir traten tiefer in den Raum hinein. Auch hier knirschten unter unseren Schritten Dreck und Laub, und wir sahen, daß sich dieser Raum von den anderen unterschied.
Erst einmal führte eine Treppe in einen Turm. Ferner zweigten von den Wänden mehrere Gänge ab, die in eine uns bekannte Tiefe oder andere Burgteile führten.
Vor der Wendeltreppe blieb Suko stehen. »So ein Turm eignet sich als vorzügliches Versteck«, bemerkte er.
Ich nickte. »Sehen wir nach.«
Diesmal ließ ich Suko den Vortritt hielt mich jedoch dich hinter ihm und deckte ihm den Rücken.
Unsere erste Annahme bestätigte sich. Weit brauchten wir nicht zu laufen, um das Ende der ausgetretenen Steintreppe zu erreichen. Wir befanden uns in der Tat in einem kleinen Turm mit schießschartenähnlichen Öffnungen in den Wänden.
Zu zweit leuchteten wir den Boden ab.
Fußspuren!
Sie stachen uns ins Auge. Im Gegensatz zu den Spuren draußen, stammten diese hier nur von einer Person.
Der Henker war hier! Für uns gab es daran nichts mehr zu zweifeln. Suko hatte sich gebückt. Ich leuchtete und hörte meinen Partner murmeln.
»Was ist los?«
»Schau dir das mal an, John.«
Auch ich ging in die Knie. Beide leuchteten wir mit unseren Lampen die Spuren an.
»Fällt dir nichts auf?« fragte Suko.
»Ja, das sind Fußspuren von einer Person.«
»Klar, aber sag mir doch mal, wie der schwarze Henker damals ausgesehen hat. In Pitlochry, meine
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