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Der lächelnde Henker

Der lächelnde Henker

Titel: Der lächelnde Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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flüsterte Fleischberger, »er verfolgt uns!«
    Oliver Roos verzog die Mundwinkel. Für einen Moment sah es aus, als wollte er anfangen zu weinen. Dann schüttelte der junge Mann den Kopf und rannte einfach weg.
    Jürgen Fleischberger hatte Verständnis für die Reaktionen seiner Freunde. Ihm erging es ja nicht anders. Vielleicht konnte er sich nur ein wenig besser zusammenreißen, obwohl er am liebsten laut seine Angst hinausgeschrien hätte.
    Und so stolperte er weiter. Immer tiefer in die unbekannte Finsternis des Ganges. Er wußte von nichts, er kannte nichts mehr, sein Gefühl wurde nur von der Furcht beherrscht und der schrecklichen Drohung hinter ihm in Gestalt des Henkers.
    Schließlich erreichte er seine Freunde. Er fiel noch gegen Oliver Roos und klammerte sich an dessen Schultern fest.
    Dann rief Walter Lieh etwas. »Da!« schrie er. »Seht doch, wir sind am Ziel!«
    Nach diesen Worten war er plötzlich verschwunden. Dafür gab es eine simple Erklärung. Oliver war in den Raum hineingetaucht, in den der Gang auch mündete, und dann war er nach rechts weggegangen. Waren sie wirklich am Ziel?
    Sie leuchteten in das Verlies hinein und erschraken bis ins Mark, als sie sahen, wohin sie geraten waren. In eine Folterkammer!
    ***
    Niemand sprach das Wort aus, aber jeder von ihnen wußte, was dort im Schein der Lampenstrahlen vor ihnen lag. Eine der berüchtigten Folterkammern der Burgherren. Dort hatten sie ihre Feinde eingesperrt, um sie unter unendlichen Qualen leiden zu lassen und Geständnisse aus ihnen herauszupressen.
    Sogar die Foltergeräte waren noch vorhanden. Allerdings konnte man die Dinge nicht mehr benutzen. Der Zahn der Zeit hatte auch bei ihnen seine Spuren hinterlassen. Dicker, brauner Rost klebte auf den teuflischen Geräten und hatte dafür gesorgt, daß sie funktionsuntüchtig wurden. Das hölzerne Streckrad war sogar verfault und verfallen. An den Wänden der Kammer hingen Lanzen, Scheren und lange, stiftartige Nägel. Auch diese Werkzeuge zeigten sich verrostet, ebenso wie die eisernen Becken, in denen früher die glühende Kohle gelegen hatte. Darin hatte der Folterknecht seine Zangen erhitzt. Das alles wäre für die jungen Leute zwar interessant gewesen, aber nicht in ihrer momentanen Lage. Sie mußten zusehen, daß sie einer grausamen Bestie entkamen, die ihnen unerbittlich auf den Fersen war. Und es gab einen Ausgang aus der Folterkammer.
    Sie wollten es kaum glauben, als sie es sahen. Aber die Sprossen der eisernen Leiter steckten tatsächlich im dicken Fels der Wände. Die Leiter führte in einen Schacht, der irgendwo wieder an die Oberfläche münden mußte.
    Zögern hätte den sicheren Tod bedeutet.
    Kaum hatten die jungen Leute die Sprossen gesehen, da setzten sie sich schon in Bewegung. Zum erstenmal zeigte sich, wie sehr sie sich trotz ihrer panischen Angst in der Gewalt hatten. Sie ließen Anke als erste hochklettern.
    »Beeile dich aber!« fuhr Walter Lieh das Mädchen an. »Mach schon!« schrie er, als er sah, daß Anke sich nicht schnell genug bewegte.
    Jürgen Fleischberger hielt sich zurück. Er hatte am Gangende Aufstellung genommen und leuchtete in den Tunnel hinein. Noch traf sein Licht den Henker nicht, noch war ihnen eine Galgenfrist gewährt worden. Zum erstenmal kam ihm ein schrecklicher Gedanke. Wenn der Henker den Weg auch kannte und wußte, wo der Schacht endete, dann brauchte er dort nur zu lauern und abzuwarten, wenn sie einzeln aus dem Schacht kletterten.
    Dieser Gedanke bereitete ihm eine so große Angst, daß er begann zu zittern. Doch er hatte sich getäuscht. Bereits zwei Herzschläge später traf der Lichtstrahl ein Ziel. Schattenhaft riß er die Gestalt des Henkers aus dem Dunkel des Tunnels.
    Er kam also, und er nahm nicht den anderen Weg. In der Folterkammer wollte er die Entscheidung.
    Jürgen drehte den Kopf. Anke Witte war schon nicht mehr zu sehen, Oliver Roos ebenfalls nicht. Wolfgang C. Bischoff stand jetzt auf den Sprossen und hangelte sich in die Höhe. Auch er war nervös, rutschte auf dem glatten Rost manchmal ab, stieß sich die Knie, aber er ließ nicht los und kletterte weiter. Die Todesangst verlieh ihm dabei fast übermenschlichen Kräfte.
    Er mußte es schaffen!
    »Schneller, schneller!« schrie Jürgen seinen Freunden zu. »Der Henker ist gleich hier.« Er bewegte hektisch seine Lampe, und der Lichtstrahl tanzte zuckend auf und ab.
    Walter Lieh stand bereit. Kaum war Wolfgangs zweiter Fuß in der Dunkelheit des Schachts verschwunden, als

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