Der lächelnde Henker
ich.«
»Groß, wuchtig, schaurig, ziemlich muskulös…« Ich wollte noch ein Adjektiv hinzufügen, bremste mich jedoch, weil mir plötzlich etwas aufgefallen war.
Diese Fußspuren paßten nicht zu dem schwarzen Henker! Sie waren einfach zu klein. Ich atmete pustend aus. Hatte sich nicht schon ein Verdacht in meinem Innern festgesetzt, daß der heutige Henker mit dem von damals kaum etwas zu tun hatte? Bis vielleicht auf das Beil. Ich wollte nicht zu weit spekulieren und wiegelte deshalb ein wenig ab.
»Noch ist ja nichts sicher, Suko. Hier oben kann auch eine andere Person als der schwarze Henker gewesen sein.«
»Stimmt auch wieder. Ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen.«
Wir durchsuchten den kleinen Raum mit den runden Wänden weiter, ohne allerdings einen entscheidenden Hinweis oder eine Spur zu finden, die uns weitergebracht hätte.
Auch von unten her hatten wir keinerlei Geräusche gehört. Das allerdings änderte sich, als wir uns auf halber Höhe der Treppe befanden. Wenn die Schreie auch dumpf klangen, sie erreichten unsere Ohren trotzdem…
***
Sie waren dem schwarzen Henker entkommen!
Für den Augenblick jedenfalls, aber wie würde es in den nächsten Minuten aussehen?
Darüber machten sich die fünf jungen Leute keine Gedanken. Endlich eine Atempause, um Luft zu holen. Sie versuchten, die eigene Angst und das eigene Entsetzen zu bekämpfen, um Mut zu finden, den Weg durch die Dunkelheit zu gehen. Wohin führte er?
Die Spitze hatte Walter Lieh übernommen. Er konnte nicht aufrecht gehen, mußte sich ducken. Den Arm mit der Lampe hielt er ausgestreckt. Der Lichtfinger hüpfte auf und nieder, ein Zeichen dafür, wie sehr Walter unter Druck stand und zitterte.
Er hatte Furcht, sogar eine schreckliche Angst, und es gelang ihm nicht, sie zu verbergen.
Der Gang zog sich tiefer in die alte Burg hinein, als die jungen Leute zuerst angenommen hatte. Und er führte in die Tiefe. Zwar nicht sehr steil, dennoch stetig, und der am Beginn gehende Walter Lieh erkannte nicht, wann und wo der Gang endete.
Wolfgang C. Bischoff stieß ihm in den Rücken. »Geh doch schneller, verdammt!« zischte er.
»Nein, der Boden ist zu uneben!« Kaum hatte Walter die Worte ausgesprochen, als er schon stolperte und fast hingefallen wäre, wenn Wolfgang ihn nicht festgehalten hätte.
Hinter ihm stolperten und gingen die drei anderen. Jürgen Fleischberger, Oliver Roos und Anke Witte. Die beiden Jungen hatten das Mädchen zwischen sich genommen.
Anke weinte offen. Die Trauer um den Verlust ihres Freundes und die kalte Angst mußten sich einfach ihre Bahn verschaffen. Irgendwann blieb Jürgen Fleischberger stehen. Er ließ Anke und Oliver vorbei.
»Was hast du?« fragte Roos.
»Geh weiter!«
Oliver gehorchte, während Jürgen seinen Arm hob und den Weg zurückleuchtete, den sie gekommen waren.
In diesem unterirdischen Gang herrschte kein Nebel. Der lichtstarke Strahl konnte wie ein Pfeil in die Dunkelheit hineinstoßen und traf auch sein Ziel.
Den schwarzen Henker!
Er hatte nicht aufgegeben. Für einen Moment war in Jürgen Fleischberger die wahnwitzige Hoffnung aufgeflammt, weil er nichts hinter sich hörte, nun wurde er eines Besseren belehrt. Der Henker stampfte voran!
Eine von Grauen umflorte Gestalt, die fast die gesamte Breite des Ganges einnahm, sich schaukelnd bewegte, wobei sie hin und wieder an die rauhen Wände stieß.
Eine Waffe hatten die Freunde aus Germany nicht mit auf ihre Reise genommen, nicht einmal eine Gaspistole, nur Messer besaßen sie, aber damit den Henker zu attackieren, wäre einem Selbstmord gleichgekommen.
Und so blieben Angst, Grauen und Furcht.
Der Henker hatte aufgeholt. Er ging wie eine ferngelenkte Maschine, und Jürgen Fleischberger mußte zusehen, daß er hinter den anderen herkam, wollte er sie nicht verlieren und unter Umständen ein Opfer des Henkers werden.
Hastig machte er kehrt und lief seinen Freunden nach. Auch ihn schüttelte die Panik. Er gab sich zwar äußerlich sehr ruhig, innerlich jedoch war er aufgewühlt und stand dicht vor einer Explosion. Dann tanzte ihm ein Lichtstrahl ins Gesicht. Einer seiner Freunde hatte sich umgedreht und leuchtete ihn an.
»Jürgen!« hörte er die drängende Stimme von Oliver Roos. »Komm endlich! Beeil dich!«
»Ja, ja.« Fleischberger lief schneller.
Oliver wartete auf ihn. Im harten Wechselspiel von Licht und Schatten wirkte sein Gesicht maskenhaft, und Jürgen las die Frage in den Augen seines Freundes..
»Ja«,
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