Der lächelnde Henker
Henker aufspießen.
Der reagierte traumhaft, rollte sich zur Seite und entging so dem harten Wurf.
Jürgen war in das alte Kohlebecken gekracht. Er hatte sich sein rechtes Handgelenk aufgeschlagen, Blut sprudelte aus der Wunde, doch er achtete nicht darauf und auch nicht auf den Schmerz. Er befand sich in einem Rausch, war mit einem Tier zu vergleichen, das mit aller Gewalt ums Überleben kämpfte.
Und nichts anderes wollte er auch - überleben!
Er kam hoch und riß gleichzeitig das Kohlebecken mit in die Höhe. Der Henker hatte sich ebenfalls erhoben, wollte zu seiner Axt, wobei ihm Jürgen im Weg stand.
Der wuchtete sich mitsamt des Kohlebeckens auf den Unheimlichen zu, um ihn zu rammen.
Sie prallten zusammen.
Jürgen keuchte und schrie. Er spürte einen weichen Widerstand, setzte all seine Kraft ein, und das Verlies war erfüllt von seinen wilden, unkontrollierten Schreien.
Trotz aller Anstrengungen gelang es ihm nicht, den Henker bis gegen die Wand zu schleudern.
Der nämlich griff zu einem einfachen, aber sehr wirkungsvollen Trick. Seine Handkante fegte nach unten.
Ein harter Schlag, der nicht genau traf, weil der junge Mann seinen Kopf noch bewegte, und so glitt die Handkante an seinem Hals ab. Aber auch dieser Treffer reichte aus, um ihn benommen werden zu lassen. Fast von allein sackte er in die Knie.
Über sich hörte er die zischende Stimme des Henkers. Haßerfüllt drang sie an seine Ohren.
»Ich werde dich kriegen, Bastard, und dir deinen verdammten Schädel abschlagen. Du hast es gewagt, den Festplatz des Teufels zu entweihen, den Tanzplatz der Hexen, dafür sollst und wirst du büßen!«
Ein schauriges, verzerrt klingendes Lachen folgte den Worten. In einem Kichern endete dieser Gefühlsausbruch.
Ein Geräusch, das Jürgen Fleischberger sehr gut kannte, an das er sich erinnerte, und er wußte, daß ihm jetzt nur noch eine Chance blieb. Die Flucht.
Aber da war der Treffer.
Zwar hatte er nicht voll sein Genick erwischt, trotzdem mörderisch und auch lähmend. Er kam einfach nicht in die Höhe, sein Kopf schien mit Pudding gefüllt zu sein, für ihn war es ein Wunder, daß er ihn noch drehen konnte, und das tat er auch.
Der Henker hatte sein Beil vom Boden hochgehoben. Jetzt sah er wieder so aus wie zuvor. Mit beiden Händen hielt er den Stiel der Axt umklammert, die Augen hinter den Schlitzen der Kapuze waren zu kleinen Eiskristallen gefroren.
Noch zwei Schritte, dann hatte er sein drittes Opfer erreicht. Für einen Moment blieb er stehen, um den Anblick des vor ihm knienden jungen Mannes voll in sich aufzunehmen, dann sagte er die nächsten, folgenschweren Worte.
»Ich werde dir den Kopf abschlagen, Bastard!«
***
Suko verließ die Burgruine und tauchte hinein in die dunkelgraue Nebelsuppe.
Die Schreie klangen ihm noch im Ohr. Sie waren dumpf gewesen, wie im Nebel geboren, und Suko ging davon aus, daß er den oder die Menschen vielleicht hier draußen erwischen konnte. Auch den Henker?
Das war die große Frage. Der Chinese hätte ihn gern gesehen, auch gegen ihn gekämpft, denn sein Freund John Sinclair hatte ihm von dem schwarzen Henker allerlei schaurige Dinge berichtet. Damals war es mehr ein privater Fall gewesen, um dessen Aufklärung ihn Glenda gebeten hatte.
Und nun standen sie sich wieder gegenüber. Aber war es überhaupt der schwarze Henker, der da auf John Sinclair lauerte? Oder ein Nachahmer, was Suko sich eigentlich schlecht vorstellen konnte. Wer sollte schon Interesse daran haben, so eine Bestie zu imitieren? Auf der Insel war kaum etwas zu sehen. Am Lagerfeuer konnte Suko sich auch nicht orientieren, es war inzwischen heruntergebrannt. Nicht einmal die Holzreste glühten noch, die schwere Feuchtigkeit hatte alles gelöscht. Der Chinese hatte das Gefühl, als wäre die graue Suppe noch dichter geworden.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich akustisch zu verständigen. Er blieb stehen, versuchte noch einmal, etwas zu erkennen und rief dann laut ein Hallo. Suko hatte sich angestrengt, doch der Nebel nahm nicht nur die Sicht, er verschluckte auch seine Stimme.
Inspektor Suko war ein Mann, der nicht so leicht aufgab. Er hatte den Schrei vernommen, und er würde seiner Ursache nachgehen, auch wenn es schwer war.
Deshalb begann er, die Insel zu durchwandern. Schon bald konnte er auch die Mauern der Burg nicht mehr sehen. Er kam sich eingeschlossen in grauer Watte vor. Zwar brauchte er nicht tastend voranzugehen, aber schnell konnte er auch nicht laufen. Das hohe
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