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Der lächelnde Henker

Der lächelnde Henker

Titel: Der lächelnde Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Frau. Jane Collins!
    ***
    Ich hatte das Gefühl, nicht mehr in der Wirklichkeit zu stehen. Der Boden schwankte, am liebsten wäre ich in ihn eingesunken, denn dieser Anblick hatte mich getroffen wie kaum etwas im Leben.
    Jane Collins war der schwarze Henker!
    Ich begriff es einfach nicht. Wie konnte das möglich sein? War es eine Täuschung, stand vielleicht ein Geist vor meinen Augen? Nein, das war Jane Collins, und sie grinste mich mit ihrem maskenhaft verzerrten Gesicht an.
    Noch immer hatte ich mich nicht gefangen. Ich stand da und glaubte, mich inmitten eines Kreisels zu befinden. Zahlreiche Gefühle stürmten auf mich ein, sie überschwemmten mich wie eine gewaltige Woge, der Nebel wurde zu einem rotierenden Etwas, und die Gestalt der ehemaligen Detektivin verschwamm vor meinen Augen. Erinnerungen stiegen in mir hoch. Vor allen Dingen Erinnerungen an die letzte Zeit, wo der Geist des Rippers Jane Collins aus meinen Fäusten gerissen hatte.
    Doch nun imitierte sie den schwarzen Henker. Weshalb? Und aus welchem Grund hatte sie zwei scheußliche Morde auf ihr Gewissen geladen, obwohl man davon ausgehen konnte, daß sie kein Gewissen mehr besaß und man sie vielleicht für diese schlimmen Taten gar nicht als verantwortlich bezeichnen konnte.
    »Jane!« stöhnte ich auf, wobei mir meine eigene Stimme fremd vorkam.
    »Verdammt, Jane, weshalb hast du das getan? Was ist der Grund für deine Taten?«
    Sie lachte.
    Und diesmal war es wieder das höhnische, widerliche und gemeine Kichern, das mich so abstieß. »Es darf keiner auf die Insel. Sie gehört uns, sie gehört dem Teufel!«
    »Der Festplatz des Satans, nicht wahr?«
    »Ja, Geisterjäger. Ein Ort für den Teufel. Er wird dort mal wohnen, er wird…« Sie schwieg und kicherte nur noch.
    Der lächelnde Henker war entlarvt. Ich sah ihn vor mir. Eine Frau, sogar jemand, den ich verdammt gut kannte. Mit allem hätte ich gerechnet, nur damit nicht.
    Jane eine Hexe!
    Und nicht nur das. Sie war eine Mörderin. Was sollte ich tun? Sie töten? Die Frau töten, die ich einmal geliebt hatte und deren Gefühle bei mir auf Erwiderung gestoßen waren?
    Sie hockte vor mir, schaute auf die Mündung meiner Waffe, die mit silbernen Kugeln geladen war. Ich brauchte nur den Finger zu krümmen…
    Die Nebelschwaden umwallten uns wie graue Leichentücher. Niemand sprach in diesen Sekunden. Unsere Blicke bohrten sich ineinander. Die Umwelt existierte nicht mehr. Ich sah keinen Funken Gefühl oder Sympathie in den Augen der Hexe. Nein, sie empfand nichts mehr für mich.
    In diesen schlimmen Augenblicken konnte mir auch niemand helfen. Damit mußte ich allein fertig werden. Egal, welchen Rat mir auch der beste Freund geben würde, er war sicherlich immer falsch. Wenn du schießt, hast du alles hinter dir! Da war die eine Stimme in meinem Hirn. Gleichzeitig hörte ich eine zweite. Damit stellst du dich auf eine Stufe mit deinen Gegnern, John Sinclair.
    Ich kam mir vor wie ein Mensch mit zweigeteiltem Gewissen. Die Beretta in meiner Hand war plötzlich zu einer Last für mich geworden. Ich tat mir schwer, sie zu halten. Ein Zittern konnte ich nicht vermeiden… Herrgott, wenn mir doch jemand einen Rat geben würde!
    Da bewegte sich Jane Collins. Sie drehte sich ein wenig zur Seite, und ich ließ sie.
    Ohne mich aus den Augen zu lassen, stand sie auf. Die Kapuze des Henkers ließ sie liegen.
    Ich atmete tief durch. Die feuchte Luft drang in meine Lungen. Ich mußte husten.
    »Du kommst mit«, sagte ich mit krächzender Stimme. »Sofort und auf der Stelle!«
    Jane Collins lächelte wieder. »Wo willst du mich denn hinbringen lassen, Geisterjäger?«
    Seit sie vom Geist des Rippers besessen war, sprach sie mich nicht mehr mit John an, sondern nur mit dem unpersönlich klingenden Begriff Geisterjäger.
    »Ich schaffe dich zum Yard. Dort wartet eine Zelle auf dich. Mörderinnen gehören hinter Gitter!«
    Ihr Gesicht verzog sich, als würde scharfer Essig die Kehle hinabrinnen.
    »In den Knast willst du mich bringen? Nie, Sinclair, nie kannst du das schaffen. Ich lasse es nicht zu, daß man mich hinter Gitter steckt, darauf kannst du dich verlassen. Du wirst dieses Kunststück nicht fertigbringen.«
    »Und wer sollte mich daran hindern?«
    »Ich!« erwiderte Jane Collins, drehte mir den Rücken zu und ging einfach davon…
    ***
    Im ersten Moment war ich zu keiner Regung mehr fähig. Diese Abgebrühtheit setzte allem die Krone auf. Das durfte es doch nicht geben. So hatte noch nie jemand mit mir

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