Der lächelnde Henker
öfter unter als ich, nahm bei seiner Flucht einen Zickzackkurs ein, so daß es mir schwerfallen mußte, auf ihn zu schießen.
Das wollte er sicherlich.
Bis jetzt hatte keiner von uns einen Punktgewinn verzeichnen können. Wir konnten uns als gleichwertig bezeichnen, doch es mußte zu einer Entscheidung kommen.
Das Ufer war nicht mehr weit entfernt. Ich stellte es an der Wassertiefe fest, und auch dem Henker fiel es schwerer, im nur hüfthohen Wasser zu schwimmen.
Seinen Zickzacklauf hatte er allerdings beibehalten, und er forcierte sein Tempo.
Ich holte trotzdem auf.
Da sah ich schon den Schilfgürtel. Dunkel schimmerte er im grauen Nebel. Die ersten Rohre brachen, als der schwarze Henker ihn erreichte. Ich legte noch mehr zu, kam näher an ihn heran, sah seinen breiten Rücken, widerstand der Versuchung, eine Kugel hinzuschießen, sondern nahm alle Sprungkraft zusammen und stieß mich ab.
Ich kam gut aus dem jetzt nur noch kniehohen Wasser hoch, warf meine gestreckten Arme vor und prallte einen Atemzug danach in den Rücken des schwarzen Henkers.
Blitzschnell umklammerte ich die Hüften und schleuderte ihn nach rechts, hinein in die Schilfrohre, die knackend brachen, als wir beide auf sie fielen.
Unter der Kapuze gellte ein schriller, wütender Schrei. Kein Kichern mehr, sondern eher die artikulierte Panik.
Hatte ich gewonnen?
Mein Faustschlag war wie ein Hieb mit dem Hammer. Die Hand klatschte in den nassen Stoff der Kapuze, darunter spürte ich das weiche Gesicht, und der Treffer drückte den Kopf zwischen Gräser und die geknickten Schilfrohre unter Wasser.
Dann kümmerte ich mich um die Axt.
Jetzt hatte ich die einmalige Chance. Der Henker unter mir war durch den Hieb benommen geworden. Wahrscheinlich konnte er auf seine Waffe nicht mehr achten.
Alle zehn Finger packten eisenhart zu, als ich das Gelenk des Henkers umklammerte. Ein wenig hob ich es an und wuchtete es dann nach unten, genau auf die Kanten der abgebrochenen Schilfrohre zu. Was ich kaum zu hoffen gewagt hatte, trat ein. Nicht nur, daß der Henker hochzuckte, er mußte einen wahnsinnigen Schmerz verspüren, nein, auch die Faust öffnete sich, als würden die Finger von unsichtbaren Bändern in die Höhe gezogen, dann rutschte ihm die verdammte Mörderaxt von der Handfläche und fiel in den Schlamm. Jetzt war der Henker waffenlos.
In einer wütenden Attacke riß ich ihn hoch und warf ihn durch den Schilfgürtel auf das Ufer zu, wo er dumpf aufschlug. Ich folgte ihm schnell, und hörte von der Insel her die leisen, verwehenden Rufe.
»John, John…«
Das war Suko, der nach mir rief. Ich hatte jetzt keine Zeit, um mich um ihn zu kümmern, denn ich bekam mit, wie sich die schwarze Gestalt vor mir aufrichtete.
Die Bewegungen hatte er noch nicht so unter Kontrolle, sie wirkten etwas lahm und schwerfällig, so konnte ich meinen weiteren Vorteil ausspielen, zog die Beretta und blieb einen Schritt vor der am Boden hockenden Gestalt des Henkers stehen.
Auch das Kreuz hatte ich hervorgeholt. In der linken Hand hielt ich es. Fahl schimmerte der silberne Glanz durch den Nebel. Der klatschnasse Henker bot kein schauriges oder unheimliches Bild mehr, sondern ein sehr erbärmliches. Die Kleidung klebte ebenso wie die Kapuze an seinem Körper, und abermals mußte ich mir eingestehen, daß dies niemals der echte Henker aus Pitlochry war. Nein, unter der Kapuze verbarg sich ein anderer.
Aber wer?
Ich würde es gleich wissen, denn mein Befehl war auch von dem Henker nicht zu überhören. »Weg mit der Kapuze!«
Ich bellte ihm die Worte entgegen, wartete auf eine Reaktion, doch sie erfolgte nicht.
Nur der Kopf bewegte sich, und die Augen starrten mich an. Augen, die groß waren. Hatte ich sie nicht schon einmal gesehen?
»Soll ich dir eine Kugel in die Stirn schießen, Henker?«
Er schüttelte den Kopf, sprach nicht, war stumm und hob langsam beide Arme.
Meine Spannung stieg.
Die Finger der Hände krümmten sich. Sie wurden zu Greifwerkzeugen, die sich im nassen Stoff der Kapuze festhakten. Noch wartete der Henker, zögerte, dann aber schleuderte er seine Arme hoch und riß die Kapuze vom Kopf.
Ich hatte voller Spannung gesteckt, wartete auf den entscheidenden Augenblick, der nun gekommen war.
Ich sah den Henker ohne Kapuze!
Meine Augen wurden groß, als ich nasses, langes, blondes Haar erkannte und in ein verzerrtes Gesicht schaute.
Das durfte nicht wahr sein, das war Wahnsinn, einfach irre, verrückt. Aber es stimmte. Der Henker war eine
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