Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
Die Tränen waren getrocknet. Der Puls war fast normal, der Durst trieb ihn aus dem Bett.
Ulf Holtz schob langsam die Beine über die Bettkante und stellte seine Füße auf den Boden. Er verspürte ein leises Stechen. Er blieb eine Weile einfach sitzen. Die kleine Lampe verbreitete ein gedämpftes orangefarbenes Licht.
Der Kopfschmerz näherte sich langsam. Nahm ihn ein. Sollte er sich wieder hinlegen? Die Augen schließen und es nochmals mit Schlafen versuchen? Es wirkte verlockend, aber er wusste nur allzu gut, dass es nicht klappen würde.
Sie kamen nicht mehr so häufig, die Alpträume. Aber er hatte vor langer Zeit die Hoffnung aufgegeben, dass sie vollkommen verschwinden würden. Er stand auf. Hob den Pullover vom Boden auf und zog ihn an. An den Beinen spürte er die kalte Zugluft. Die kurzen, weißen Unterhosen schlackerten um seine dünnen, blassen, recht langen Beine.
Gedankenlos streckte er den Arm nach dem Lichtschalter im Eingang aus. Der milde Schein der Wandlampen beruhigte ihn. Der Schmerz und die heißen Tränen warteten auf ihren nächsten Einsatz. Er schluckte.
Ulf Holtz ging langsamen Schrittes zu dem hellen Sofa, legte sich darauf und zog sich eine Decke über. Bloß ein wenig ausruhen und mich beruhigen, bevor ich mir etwas zu trinken hole. Durst, ich müsste eine Tablette nehmen.
Die Decke wärmte ihn.
Die Trauer und das Selbstmitleid schlugen mit voller Kraft zu. Die Tränen traten ihm langsam in die Augen, füllten sie, bis der Druck unter den Lidern verschwand.
Meine Liebste, meine Liebste, dachte er.
Dann schlief Ulf Holtz.
» E in was?«
Ulf Holtz sah verwirrt aus.
»Ein Bergsteiger?«
»Ja, das hat sie gesagt«, sagte Ellen Brandt. Sie stand auf der Schwelle des Pausenzimmers der Kriminaltechniker, obwohl sie sich gemäß der neuesten Regeln ohne Sondergenehmigung überhaupt nicht in der forensischen Abteilung aufhalten durfte.
»Welche sie?«
Er hatte verschlafen und bemühte sich darum, die anderen gedanklich einzuholen.
Brandt seufzte und fing noch mal von vorn an.
»Eine Frau, die in einem der Häuser oben auf dem Berg über dem Autobahntunnel an der Nordumgehung wohnt, hat ihre entlaufene Katze gesucht. Ich glaube, sie heißt Lindex, die Katze also. Manchmal läuft sie hinunter und versteckt sich im Gras über der Tunneleinfahrt. Wie auch immer, die Katze hat sie nicht gefunden, dafür aber einen Toten. Einen Bergsteiger, sagt sie, der in einem Seil hängt.«
Wer kommt auf die Schnapsidee, einen Berg mitten in einer großen Stadt zu besteigen?
Er hatte viel Böses und viele Unfälle gesehen, aber zumeist bestanden seine Arbeitstage aus reiner Routine.
Katalogisierungen, das Warten auf Testresultate und Nachdenken füllten seine Tage. Von außen betrachtet wirkte Holtz wie ein hart arbeitender Polizist, den nichts erschütterte. Aber nicht einmal seinen Töchtern gegenüber, denen er doch das meiste anvertraute, hätte er zugegeben, dass es ihn tatsächlich mit Spannung erfüllte, wenn er es mit einem brutalen oder spektakulären Verbrechen zu tun bekam. Selbst Verkehrsunfälle oder Brände konnten trotz aller Tragik seine Stimmung heben.
Er fuhr mit seinem Lieferwagen aus der Garage und schaltete das Radio ein. Brandt, die zum Ermittlerteam gehörte, hatte ihn umfassend informiert, und er hatte beschlossen, den Ort aufzusuchen, an dem sich der tote Bergsteiger befand.
Holtz fuhr fast immer alleine und versuchte, auf jede erdenkliche Weise zu vermeiden, dass ihm jemand Gesellschaft leistete. Wie immer hörte er Radio, um nicht über seine Arbeit nachzudenken. Er nannte das ein weißes Blatt Papier. Kein Gedanke an das Verbrechen, keine Theorie, keine vorgefertigte Meinung. Nichts durfte sich in seinem Kopf einnisten, bevor er den Tatort gesehen hatte. Teamarbeit in Ehren, aber Aufgeschlossenheit und ein ruhiger Tatort waren die optimalen Voraussetzungen für den Beginn einer Ermittlung.
Diese Arbeitsweise lief den Anweisungen für Kriminaltechniker vollkommen zuwider, die besagten, dass man sich so umfassend wie möglich über den Fall informieren sollte, bevor man sich auf den Weg machte. Das bekümmerte Holtz jedoch nicht.
Er parkte auf der Anhöhe vor den hell verputzten Reihenhäusern. Unter ihm donnerten die Fahrzeuge auf der meistbefahrenen Autobahn des Landes vorbei. Frühmorgens kroch hier der Verkehr, wenn Tausende Pendler auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen in oder jenseits der Stadt waren. Jetzt am späteren Vormittag ging es jedoch zügig
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