Der Lächler
Golenkow hatte die Erklärung gehört und zunächst einmal nichts gesagt. Durch seinen Kopf schössen zahlreiche Gedanken, und er fragte sich, warum er nicht einfach aufstand und davonging?
Er blieb sitzen.
Weshalb?
Hatte es an dem Begriff magisch gelegen, der wiederum verbunden war mit dem Wort Killermaschine? Es war möglich, es war überhaupt alles möglich, nicht nur in Rußland, sondern überall auf der Welt, und so blieb er sitzen, seinem Gegenüber in die Augen schauend, in denen er nicht den Anflug einer Lüge entdeckte. Talin hatte es ernst gemeint.
»Hast du gehört, mein Freund?«
»Du hast laut genug gesprochen!«
»Gut. Die nächste Frage liegt auf der Hand. Glaubst du mir auch?«
Golenkow schwieg. »Glauben ist so eine Sache, denn glauben heißt nicht wissen. Das solltest du doch am besten…«
Talin winkte barsch ab. »Die Sache ist ernst, also red jetzt keinen Unsinn!«
»Wie ernst?«
»Tödlich!«
»Dann möchte ich Einzelheiten wissen. Ich denke, deshalb hast du mich kommen lassen. Du selbst kommst nicht damit zurecht. Du bist also gezwungen, dir Hilfe zu holen. Wenn ich dir tatsächlich helfen soll, muß ich mehr wissen. Also pack aus.«
»Ja, Golenkow, ja«, sagte Talin nickend, »das werde ich auch.«
»Ich höre!«
Talin fing an, über die alten Zeiten zu sprechen, und Wladimir hörte ein gewisses Bedauern heraus. Talin redete über den Erzfeind im Westen, über dessen Einfluß und natürlich über die Geheimdienste, die stets versuchten, noch mehr Einfluß zu gewinnen. Talin war davon überzeugt, daß der Westen die UdSSR damals hatte überfluten wollen. Beinahe kindlich naiv schaute er Golenkow an. »Und dagegen mußten wir uns doch wehren – oder? Du stimmst mir sicherlich zu, Towaritsch.«
»Durch Onopko wehren?«
Talin goß Whisky nach, lächelte und murmelte dabei. »Unter anderem, mein Lieber.«
»Wie habt ihr das getan?«
Talin antwortete mit einer Gegenfrage. »Was ist dir über Onopko bekannt? Wie viele Dinge weißt du von ihm?«
»So gut wie nichts.«
Talin schlürfte seinen Whisky. »Aber du weißt etwas, entnehme ich deiner Antwort.«
»Ich gehörte nicht zu den auserwählten Personen, die man in alles einweihte«, erklärte Golenkow. »Mir waren keine Einzelheiten bekannt. Ich habe nur in der Ferne etwas läuten gehört, daß man sich mit ungewöhnlichen Forschungen beschäftigt, die sich um den Menschen drehen. Dabei fiel der Begriff Züchtung.«
Der kleine Mann lachte wie ein altes Waschweib. »Ja, ja, gut. Züchtung kommt der Sache schon näher.«
»Gene?«
Talin schüttelte den Kopf. »Nicht direkt. Es sei denn, du verbindest den Begriff Gene mit dem der Magie.«
»Geht das denn?«
Wladimir bekam ein breites Grinsen geschenkt. »Im Prinzip schon, denn wir haben uns auf alte Kräfte oder Dinge besonnen, die schon immer innerhalb der Menschheit präsent waren. Magie«, flüsterte er, als hätte er Furcht vor einem Zuhörer. »Wir haben uns mit Magie beschäftigt, und wir haben auch die entsprechenden Personen gefunden, die sich damit auskennen. Es ist jemandem gelungen, an Onopko herumzuexperimentieren. Magie und Wissenschaft trafen sich, und sie schlugen eine Brücke. Es war einfach wunderbar. Ich selbst war nicht dabei, aber ich koordinierte. Jedenfalls entstand Onopko, eine dämonische Kampfmaschine. Ein Mensch mit einem fremden Gehirn.«
Golenkow schauderte etwas, als er fragte: »Welches Gehirn habt ihr denn eingepflanzt?«
»Das eines Dämons.«
Schweigen. Bedrückend für Wladimir, gespannt bei Talin. »Kennst du Einzelheiten?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Talin hob die Schultern. »Ich bin nicht eingeweiht worden. Ich befand mich auch nicht im inneren Zirkel. Diese Arbeit ist von anderen übernommen worden, die man durchaus als Experten bezeichnen kann. Jedenfalls haben sie Onopko geschaffen, und er wäre wirklich eine ausgezeichnete Waffe gewesen, wenn nicht«, Talin schnappte nach Luft, »ja, wenn nicht die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen dazwischengekommen wären. Plötzlich taute das Eis zwischen den Großmächten. Die Welt erhielt ein anderes Gesicht, auch die UdSSR verschwand, und die Strukturen des KGB lösten sich auf.«
»War Onopko überflüssig?«
»In gewisser Hinsicht schon.«
»Weiter!«
»Was soll ich sagen?« Talin grinste wieder. »Er war da. Man wollte ihn auch nicht töten. Das wäre so gewesen, als hättest du ein Kunstwerk zerstört, auf das du sehr stolz bist. Also überlegte man sich etwas
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