Der Lächler
Wissenschaftler parapsychologische Forschungen durchgeführt. Immer und immer wieder waren in den geheimen Labors Versuche mit Menschen und Tieren unternommen worden, und auf eine ähnliche Art und Weise mußte auch der Killer Onopko entstanden sein.
Er bildete tatsächlich eine Gefahr, und nur weil Wladimir ein verantwortungsvoller Mensch war, hatte er sich entschlossen, in den Fall einzusteigen. Er würde Onopko jagen, aber nicht wegen der Vergangenheit, er wollte nur nicht, daß weitere Menschen ihr Leben verloren und diese Taten auch noch Kreise im Ausland zogen, wie in England, wo sein Freund John Sinclair mit großen Problemen zu kämpfen hatte. Im Haus war es ruhig.
Von den beiden Leibwächtern sah Wladimir nichts. Vor ihm malte sich der Schatten der Treppe ab. Das Licht brannte nicht, und Wladimir sah auch keinen Grund, es einzuschalten. Im Dunkeln ging er die Stufen hinab, hielt sich dabei am Geländer fest.
Er rechnete damit, daß ihn die beiden Typen im Hausflur unten erwarten würden. Seltsamerweise war das nicht der Fall. Niemand hielt an der Tür Wache, als Wladimir das Licht einschaltete.
Das wunderte ihn, als er auf halber Strecke zwischen Treppe und Tür stoppte. Ihn überkam ein bedrückendes Gefühl. Es griff nach ihm wie eine Klammer, die sein Herz zusammendrücken wollte. Im Kopf spürte er das Hämmern hinter den Schläfen, er räusperte sich, aber auch auf dieses Geräusch hin erhielt er keine Antwort.
Etwas stimmte nicht.
Wladimir drehte sich auf der Stelle wie jemand, der nach Dingen suchte, die er glaubte, übersehen zu haben.
Es war vorbei, es gab einfach nichts, was ihm aufgefallen wäre. Die schmutzigen Wände des Flurs atmeten nicht nur den Geruch aus, sondern auch die Stille.
Es hatte sich nichts verändert, und trotzdem waren einige Dinge anders geworden.
Damit kam er nicht zurecht. John Sinclair hatte des öfteren von seinem sensiblen Gefühl für Gefahr gesprochen, das ihn in bestimmten Dingen überkommen hatte. Zum erstenmal spürte Wladimir etwas Ähnliches, obwohl niemand zu sehen war.
Er wäre sich lächerlich vorgekommen, hätte er versucht, nach jemandem zu rufen, deshalb ließ er es bleiben und setzte seinen Weg fort. Bevor er die Tür öffnete, warf er einen Blick zurück. Der Flur und das Haus kamen ihm plötzlich vor wie eine große Bühne, in deren Hintergrund die Akteure auf den Auftritt lauerten.
Ihm zeigten sie sich nicht, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als das Haus zu verlassen.
Wieder betrat der ehemalige KGB-Mann die enge Straße. Noch immer stand die Finsternis zwischen den Häusern wie dichte Watte. Sie klebte an den Wänden, sie drückte gegen die Fenster und Türen, als wollte sie alles öffnen.
Hinter ihm fiel die Haustür zu.
Er stand auf dem Gehsteig.
Wladimir hätte froh sein müssen, diese nicht eben vorzeigbare Gasse verlassen zu können. Er tat es nicht. Seine Schritte waren langsam und abwartend. Zwei vor, drei zurück, so sah es aus, als er sich in der Dunkelheit bewegte und dorthin ging, wo er hergekommen war. Schon kurze Zeit später lag das Haus hinter ihm, und noch einmal drehte er sich um.
Sein Standort war gut. Er konnte zur ersten Etage schauen und das Arbeitszimmer sehen, hinter dessen Scheibe Licht brannte. Sein Blick klebte an der Scheibe fest. Den genauen Grund wußte er auch nicht, aber etwas hielt ihn zurück.
Da sah er den Schatten.
Talin?
Nein und ja.
Noch ein zweiter erschien. Groß, wuchtig, zudem bizarr. Und dieser große Schatten beugte sich über den kleineren, der verzweifelt versuchte, dem anderen zu entkommen. Es gelang ihm nicht.
Der kleine Schatten wirbelte auf das Fenster zu. Einen Moment später brach die Scheibe.
Die Schreie des kleinen Mannes mischten sich in das Klirren des Glases, als Talin kopfüber in die Tiefe stürzte und mit einem harten und dennoch klatschenden Laut auf das Pflaster schlug…
***
Als der Besucher die Tür zu Talins Wohnung hinter sich geschlossen hatte, blieb der kleine Mann noch hinter seinem Schreibtisch sitzen und lauschte seinem keuchenden Atem. Er war wieder in Schweiß gebadet, und er mußte zugeben, daß er selten zuvor in seinem Leben eine derartige Angst verspürt hatte. Er war nie ein Held gewesen, aber ein Mensch, der nur wenig Rücksicht auf andere nahm, und er gab auch zu, daß er die Schuld am Tod einiger Menschen trug, indirekt allerdings, was sein Gewissen nie groß belastet hatte. An diesem Tag war es anders.
Da ging es einzig und allein um ihn.
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