Der Lächler
Killer erwischte Talin noch vor der Scheibe. Er beugte sich über ihn, und es sah so aus, als wäre ein monströser Vampir dabei, sich seine Beute zu holen.
Talin schrie nicht, seine Kehle war zu. Er versuchte auch nicht mehr zu entwischen, er riß nur die Arme hoch und wurde plötzlich von zwei harten Händen ergriffen.
Sie hoben ihn an und schleuderten ihn zurück.
Hinter mir ist die Scheibe, dachte Talin noch.
Beim letzten Wort prallte er mit ihr zusammen. Er hörte das schrille Klirren, er spürte, wie etwas in sein Gesicht und auch in seinen Hals schnitt. Er schmeckte Blut, dann schrie er und fiel wie ein schwerer Stein in die Tiefe…
***
Wladimir Golenkow hatte Talin fallen und aufschlagen sehen, und er war für einen Augenblick entsetzt. Hinzu kam die Überraschung, mit Onopko konfrontiert zu werden, denn er glaubte fest daran, daß es sich bei dem großen Schatten um keinen anderen gehandelt hatte als eben um diesen Killer. Er war also schon da – Talin hatte recht behalten –, und er begann seine Mordserie. Und bei Talin hatte er angefangen.
Golenkow löste sich aus seiner Starre. Er schaffte es jetzt, den Blick in die Höhe zu richten, wo das Fenster zwar zerbrochen war, im Raum aber noch immer das Licht brannte und sich deshalb dieser Onopoko so deutlich abmalte.
Das Licht erwischte ihn von der Rückseite her, so daß die Vorderfront seines Körpers ziemlich düster blieb und er mehr einem kompakten Schatten glich.
Viel konnte Wladimr nicht von ihm erkennen. Aber das starre, kantige Gesicht war schon zu sehen, und auch die ungewöhnliche dunkelrote Stirn, hinter der sich das Gehirn abmalte, das ihm von irgendwelchen Wissenschaftlern eingepflanzt worden war.
Unglaublich…
Wladimir zog seine Waffe.
In diesem Augenblick wich der Killer zurück. Er tauchte in das Zimmer ein, es war kein Geräusch zu hören. Für den Mann auf der Straße sah es aus, als würde Onopko schweben.
Golenkow wollte ihn haben. Er sollte ihm auf keinen Fall entwischen, die Chance war auf der einen Seite günstig, auf der anderen aber mußte Wladimir daran denken, wie gefährlich diese Person war. Und er stand allein gegen ihn. Von den Leibwächtern konnte er keine Hilfe mehr erwarten. Er rechnete sogar mit ihrem Tod, denn der Lächler ging bekanntlich über Leichen.
Der Russe hatte den Hauseingang schnell erreicht. Im Flur war das Licht erloschen, er schaltete es wieder ein und ging zur ersten Etage hoch.
Die Pistole hielt er in der rechten Hand. Sie war mit Neun-Millimeter-Geschossen geladen, die streckten auch einen Elefanten nieder, wenn es sein mußte.
Die Wohnungstür war nicht geschlossen. Wladimir wuchtete sie mit einem Tritt ganz auf, dann drängte er sich über die Schwelle, den rechten Arm angehoben, wobei die Mündung der Waffe gegen die Decke wies.
Er war bereit, die Pistole sofort zu senken und auf ein schnell erscheinendes Ziel zu schießen, das aber ließ sich nicht blicken. Schon beim ersten Hinschauen sah er, daß die Wohnung leer war. Niemand hielt sich in seiner Umgebung auf.
Sein Ziel war das Büro. Da die Tür offenstand, überblickte er beinahe den gesamten Raum. Aus seiner Sicht war er leer, kein Killer stand am Fenster oder in der Nähe des Schreibtisches. Natürlich gab es einen toten Winkel, an den dachte Wladimir auch, als er sich blitzschnell über die Schwelle katapultierte, sich sofort drehte und bereit war, auf ein Ziel zu schießen.
Es gab keines.
Onopko war verschwunden!
Scharf atmete der Russe aus. Er spürte den Durchzug, in dessen Zentrum er stand, und überlegte, wohin dieser Lächler geflohen sein könnte. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Er hatte aus dem Fenster springen oder weiter nach oben flüchten können.
Für eines mußte sich Wladimir entscheiden. Er schaute durch das zerstörte Fenster nach draußen. Auf der Straße war Talin von einigen Gestalten umringt, und Wladimir hörte den Kommentar eines gebückt stehenden Mannes. »Verdammt, er ist tot!« In der Stimme war nicht die Spur eines Bedauerns mitgeklungen, typisch für diese neue Welt. Hier ging es nur darum, sich durchzusetzen, hier war sich jeder selbst der nächste. Golenkow zog sich wieder zurück. Er wollte nicht unbedingt von der Straße aus gesehen werden. In den anderen Räumen der Wohnung schaute er gar nicht erst nach, sondern lief in den Flur und nahm die Treppe nach oben.
Sehr bald wußte er auch, weshalb sich keine Menschen auf der Etage hatten blicken lassen. In den oberen Etagen wohnte niemand
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