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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra von Grote
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Fahrgeräusche gedämpfter klangen. Die anderen Züge wurden mehr und mehr aus dem Verkehr gezogen, was LaBréa sehr bedauerte. Das Rattern der alten Métrowaggons war etwas, das ihn seit seiner Kindheit begleitet hatte.
    Jean-Marc erwartete ihn am Métroausgang. Er war mit einem der Dienstwagen gekommen. Sein übliches farbenfrohes Outfit war einem dunkelbauen Anorak mit Kapuze gewichen, der ihn vor dem Regen schützte, und die schwarzen Jeans waren praktisch und unauffällig.
    LaBréa musterte ihn, und Jean-Marc schien seine Gedanken zu ahnen.
    »Die Klamotten hab ich mir von Gilles geliehen.« Es klang wie eine Entschuldigung. Gilles war der Leiter der Spurensicherung. »Wir haben dieselbe Größe.«
    »Und Gilles?«, fragte LaBréa erstaunt. »Was trägt er in der Zwischenzeit?«
    »Er hat noch ein zweites Paar Jeans in seinem Spind. Und den Anorak braucht er heute Nacht nicht, weil er bis morgen früh durcharbeitet. Übrigens, bevor ich’s vergesse, Chef: Die beiden Zahnbürsten in der Wohnung von Luc Chambon haben anscheinend unterschiedliche DNA. Die genaue Analyse dauert aber noch, meint Gilles. Die Spuren sind hart an der Grenze, was ihre Verwertbarkeit angeht.«
    »Ja, ja, verstehe.« LaBréas Interesse für den Mordfall Luc Chambon und einen möglichen Mitbewohner des Opfers beschränkte sich im Augenblick auf ein Minimum. Seine Gedanken galten einzig und allein Célines Befreiung. Er fuhr fort: »Wir fahren einmal die ganze Strecke ab. Damit verschaffen wir uns einen Überblick über alle Telefonzellen, die es an den einzelnen Métrostationen gibt.« Bewusst hatte LaBréa die Fahrstrecke von der Endstation in die Stadt hinein gewählt, da einige Straßen und Boulevards in südöstlicher Richtung Einbahnstraßen waren.
    An der Porte des Lilas hatte es einen Verkehrsunfall gegeben. Die Polizei war bereits vor Ort, und ein Krankenwagen kam soeben angebraust. LaBréa schenkte dem Geschehen keine Beachtung. Er spähte nach allen Seiten und hielt Ausschau nach den grauen Telefonzellen, die im Stadtbild oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen waren. Nur bei wenigen konnte man noch mit Münzen bezahlen. Ansonsten waren Telefonkarten oder Kreditkarten erforderlich. Der Geiselnehmer würde nicht mit einer Karte telefonieren, so viel schien sicher. Selbst wenn sie gestohlen war, hinterließ sie immer eine Spur. Von daher war die Anzahl der infrage kommenden öffentlichen Fernsprecher auf die Münzapparate eingegrenzt.
    An der Porte des Lilas gab es zwei Telefonzellen, bei beiden musste man eine Karte benutzen. LaBréa machte sich kurze Notizen in seine Kladde.
    »Fahren Sie weiter«, sagte er zu seinem Mitarbeiter. An jeder Métrostation auf dem Weg stadteinwärts drosselte Jean-Marc das Tempo, und LaBréa blickte sich um. Erst an der Métrostation Pyrénées auf der Rue de Belleville entdeckte er eine Telefonzelle mit Münzschlitz. In seinem Notizbuch kreiste er die Haltestelle Belleville dick ein.
    An der Station Goncourt sah er sich besonders sorgfältig um. Es gab zwei Telefonzellen, eine für Kartenbenutzer und eine mit Münzschlitz.
    »Na bitte!«, murmelte LaBréa zufrieden. »Von hier aus hat er ja bereits angerufen. Halten Sie mal an, Jean-Marc.«
    Der Paradiesvogel parkte den Wagen an der Ecke zur Avenue Parmentier, und die beiden stiegen aus. Jean-Marc zog sich die Anorakkapuze über den Kopf. Der Regen hatte nicht nachgelassen. In der Telefonzelle mit dem Münzapparat fanden sie nichts, was von Interesse sein konnte. Was hatte LaBréa auch erwartet? Sie erkundeten die Gegend. Ringsum lagen kleinere Straßen und eine Kirche. Hier war Wohngebiet, ein urbaner Kiez.
    »Schwer vorstellbar, dass er Ihre Freundin hier irgendwo versteckt, Chef«, meinte Jean-Marc. LaBréa nickte.
    »Wir checken ja auch nur, von wo aus er überall die Möglichkeit hätte, anzurufen. Fahren wir weiter.«
    Die nächsten Telefonzellen befanden sich an der Place de la République. Drei an der Zahl. Zwei davon für Kartenbenutzer, eine mit Münzapparat. Von hier aus hatte der Geiselnehmer auf LaBréas Dienstapparat angerufen, und Franck hatte das Gespräch entgegengenommen.
    Die nächsten beiden Haltepunkte entlang der Métrolinie 11 erwiesen sich als nicht ergiebig. Nur an der darauffolgenden Station, Rambuteau, gab es rund um das Centre Pompidou mehrere Telefonzellen, allerdings keine mit Münzapparat. Da täglich viele Besucher und Touristen das Centre Pompidou besuchten und nicht jeder, der telefonieren wollte, über eine

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