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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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langen, schmalen Wächter halb unter dem Gebüsch verborgen. Grumbach zog ihn hervor. Er hatte ein fürchterliches Loch mitten in der Brust und war schon steif.
    »Er war noch so jung«, sagte Frau Villeroy, nahm ihr Schultertuch und deckte es über die Brust und das Gesicht des Toten.
    »Wir werden ihn begraben«, versprach der Pfarrer. »Gleich morgen werden wir ihn begraben.«
    Der Junge saß neben Jeremy auf dem Bock. »Wohin fahren wir, Jeremy?«
    »Richtung Jackson, Massa Luke. Habe gehört, dass es dort vielleicht neue Arbeit gibt.«
    Sie saßen lange schweigend nebeneinander. Nach einer Weile fragte der Junge: »Warst du auch Soldat, Jeremy?«
    »Ja, Junge. Als Mr. President uns Schwarze 1861 rief, da habe ich meine Frau verlassen und bin zu den Unionstruppen gegangen.«
    »Hast du auch geschossen?«
    »Ja, Junge. Ich war Soldat.«
    »Hat deine Hand gezittert, Jeremy, als du das erste Mal auf Menschen gezielt hast?«
    »Ja, Massa Luke, das hat sie.«
    »Nur beim ersten Mal?«
    »Man gewöhnt sich an das Schießen, Massa Luke, auch an das Schießen auf Menschen. Aber ich will dir etwas sagen, ich schäme mich, dass meine Hand später nicht mehr gezittert hat, wenn ich über Kimme und Korn einen Menschen im Visier hatte. Ich schäme mich dafür, Massa Luke.«
    »Du meinst, es ist keine Schande, wenn man dabei Angst hat?«
    »Es ist eine Schande, Massa Luke, wenn Menschen auf Menschen schießen müssen. Das ist eine Schande.«
    »Aber heute hast du doch auch geschossen, Jeremy.«
    »Ja, Massa Luke, heute habe ich auch geschossen. Manchmal bleibt einem keine andere Wahl.«
    »Warst du auch ein Sklave, Jeremy?«
    »War ich, Massa Luke. Ich bin im alten Süden in Virginia als Sklave geboren worden. Meine Mama war Haussklavin bei einer reichen Familie mit vielen, vielen Sklaven. Gab nur 65 Familien im Süden, die mehr als hundert Sklaven hatten. Mein Massa und meine Missus gehörten dazu. Meine Mama war eine hervorragende Köchin.«
    »Und dein Vater?«
    »Habe ich nie gekannt, Massa Luke. Er wurde verkauft, als ich noch kein Jahr alt war. Wie das damals zuging, das hat Charly the Cook auf die große Schublade gemalt, Massa Luke. Der schwarze Mann kam auf den Klotz, wurde begafft, betastet, musste die Zähne zeigen und den Rücken. Hatte er Narben von der Peitsche, dann war er schlecht zu verkaufen. Aber mein Daddy hat Old Massa 1500 Dollar eingebracht. Damals wurde in Louisiana noch viel Indigo angebaut. Mein Daddy war, hat jedenfalls meine Mama immer erzählt, ein Spezialist für den Anbau dieser Farbpflanzen.«
    »Und deine Mutter?«
    »Die hat in ihrem ganzen Leben nicht einmal das Gebiet der Plantage verlassen. Von ihrem ersten Mann hat sie nie mehr etwas gehört. War ‘ne gute Frau, meine Mama. Unsere Missus wusste, was sie an ihr hatte, und sie hat sie immer gut behandelt. Wenn es nach unserer Missus gegangen wäre, dann hätten sie meinen Daddy nicht verkauft.«
    »Hat deine Mutter sich denn nie danach gesehnt, frei zu sein und ihren Mann zu suchen?«
    »Wenn unter uns Haussklaven das Wort ›Freiheit‹ geflüstert wurde, dann hat sie gesagt: ›Wenn dieser Massa Freiheit doch endlich käme‹, und hat die Freiheit wohl für eine Art Engel gehalten, der ein Stück vom Himmel auf die Erde bringen sollte. Später hat der Massa sie dann mit einem anderen Mann verheiratet. Sie legten einen Besen auf den Boden. Da mussten mein zweiter Vater und meine Mama drüberspringen. ›Jetzt seid ihr Mann und Frau‹, hat der Massa gesagt. ›Und kriegt viele stramme Kinder; denn die billigsten Nigger sind die eigenen Nigger.‹ «
    »Wie ist es dir denn ergangen, Jeremy?«
    »Bis 1852 ging es mir gut. Ich konnte schon als Junge mit Pferden umgehen. Das hat Old Massa schnell gesehen. Ich durfte später sogar die Reitpferde vom Massa versorgen. Aber dann kam das Unglück über uns. Mein Bruder Anthony floh. Ich wurde dafür in die Tabakfelder geschickt. Schau auf die Schubladenbilder, Massa, dann weißt du, dass die Arbeit in den Feldern hart ist. Auf der zweiten Schublade kannst du sehen, wie der Aufseher seine Peitsche schwingt, wenn einer das Tempo nicht mithalten kann.«
    »Haben sie deinen Bruder erwischt?«
    »Hast du nie von Anthony Burns gehört, Massa Luke?«
    »Nein, Jeremy. Bei uns hat man selten etwas von Amerika erzählt und von Sklaven nie.«
    »Nun, mein Bruder hat den ganzen Osten in Aufregung versetzt. Er hat die Suchtrupps abgeschüttelt, die Bluthunde in den Sümpfen irregeführt, hat das freie Land

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