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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Chinesen beflissen hinzu. Er selbst rührte keinen Finger.
    Die unablässige, eintönige Arbeit ließ gar nicht zu, dass der Junge sich mit den beiden Chinesen unter seinem Bock unterhielt. Ein paar Zurufe, ein paar Zeichen, das war alles. Sie blieben ihm fremd, obwohl er zehn Tage nur knapp zwei Meter von ihnen entfernt stand und durch die Säge mit ihnen verbunden war. Über dem Abendessen schlief der Junge zweimal vor Erschöpfung ein. Seine Angstträume blieben in diesen Nächten aus. Nur einmal sah er sich selbst in die Schlucht stürzen, tiefer, immer tiefer. Aber bevor das Wasser ihn wegriss, wurde er mit einem Schrei wach. Er zwang sich an Lisa Warich zu denken. Dass Lisa eine hellbraune Haut wie Georgia hatte, störte seinen Halbschlaf nicht.
    Mit der Montage des Bogens begannen sie am zwölften Tag von beiden Seiten zugleich. Der alte Mann trieb die Leute zu äußersten Leistungen an und schonte sich selbst auch nicht.
    »Jeder Tag, den wir später fertig werden, sind runde 200 Dollar Verlust«, rief er wild. »Zeit ist Geld. Werft es nicht in das Wasser.« Oder ein anderes Mal: »Sputet euch, ihr müden Kerls. Schlafen könnt ihr lange genug, wenn die Brücke fertig ist.«
    Er hatte die Kolonne in Zweiergruppen eingeteilt und jedem Zimmermann einen Chinesen an die Seite gestellt. Diese Mannschaften spielte er gegeneinander aus. Der Junge, der mit einem breit­schult­rigen, älteren Mann mit Namen Hua Wing arbeitete, wollte den anderen Gruppen nicht nachstehen, lief über schmale Balkenstege über den Abgrund, schleppte schwere Stämme, sodass seine Schultern bald durchgescheuert waren, riss sich an dem rauen Holz Splitter in die Hände, ohne darauf zu achten, trieb mit harten Schlägen Vierkantnägel ein, schwitzte in der Mittagssonne und zitterte in der Abendkühle. Hua Wing lernte schnell und bald bedurfte es nur noch weniger Zeichen zur Verständigung.
    Andreas wagte sich gelegentlich auch auf die Brücke, reichte Nägel an oder brachte ein vergessenes Lot. Meist aber ging er dem alten Mann auf dem Schnürboden zur Hand, trug ihm den Winkel, rußte die Schnur ein oder holte die Messlatte herbei. Er kam und kam nicht wieder zu Kräften.
    »Der Andreas verdient seine Prämie nicht«, maulte Grumbach. Aber Döblin ergriff für Andreas Partei und erwiderte: »Jeder kann krank werden. Andreas gehört doch auch zu unserer Kolonne.«
    »Wer weiß, vielleicht wackeln ihm nur die Knie, weil das Wasser da unten so lärmt? Vielleicht ist er nur ein Feigling?«
    »Halt endlich dein Maul, Grumbach«, fuhr Döblin ihn an.
    Erst im Laufe der dritten Woche wich allmählich die Blässe aus Andreas’ Gesicht und er begann sich stärker zu fühlen. Die Brücken­enden wuchsen planmäßig aufeinander zu und trafen sich am Abend des 20. Tages.
    Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde es allen klar, dass sie es nicht schaffen würden, die Dreiwochenfrist einzuhalten. Grumbach schimpfte auf Andreas, Gustav Bandilla gab dem alten Mann die Schuld, der es hätte wissen müssen, dass die zusammengeschrumpfte Kolonne keine Wunder vollbringen konnte.
    »Redet nicht, arbeitet«, brüllte der alte Mann.
    »Es wird dunkel«, antwortete Gustav. »Ich mache Schluss für heute. Feierabend.« Er ging von der Baustelle und zögernd folgten ihm Warich, Grumbach und schließlich auch Lenski.
    »Ich bin fix und fertig, Friedrich, ich kann nicht mehr«, sagte er.
    »Bringt Fackeln«, befahl der alte Mann zwei Chinesen. Es war schon lange nach Mitternacht, als Döblin sagte: »Es ist genug, Friedrich. Der Junge schläft schon im Stehen.«
    Ohne ein Wort steckte der alte Mann sein Beil in den Gürtel und ging zu dem Wagen. Als der Junge am frühen Morgen von Andreas wachgerüttelt wurde, tönten seine Beilhiebe bereits wieder aus dem Strebwerk.
    Mr. Cole kam, sah die Männer schuften, sagte nur: »Bald haben Sie es geschafft«, und fuhr wieder davon. Bis zum 24. Tag zimmerten sie Verstrebungen ein. Die Schmiede legten mit einer Kolonne von Chinesen die Gleise. Ein Ire schlug vor den letzten Bolzen von Mr. Cole selbst einschlagen zu lassen.
    »So ist das auch Mai 69 gewesen«, sagte er. »Genau am Zehnten trafen die Union-Pacific-Bahn und die Central-Pacific-Bahn zusammen. Die beiden letzten Bolzen waren aus purem Gold. Die Präsidenten der Bahn haben sie eingetrieben.«
    »War das ‘ne besondere Bahn?«, fragte der Junge.
    »Oh, Mann«, rief der Ire aus, »was bist du für ‘n Schlaukopf. Man kann von diesem Tage an, ohne auf die Postkutsche

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