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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Recht«, sagte der alte Mann und begann zu beten und an seinen Fingern die Ave Maria abzuzählen.

Bei all der Arbeit Tag für Tag hatte niemand von der Kolonne bemerkt, dass es Frühling geworden war. Auf ihrer Fahrt entlang der Grenze von Tennessee und nach Mississippi hinein spürten sie die Kraft der Mittagssonne. Die Bäume hatten ihre hellgrünen Kleider übergestreift und in den Tälern warf der März die Blumenteppiche aus gelbem Lattich über die Wiesen. Das Wetter blieb anhaltend sonnig und trocken. Sie fuhren an jedem Tag über zwanzig Meilen. Es kam den Männern so vor, als ob der alte Mann nicht nur die kleinen Angebote ausschlug, sondern auch größeren Arbeiten aus dem Wege ging. In Corinth hatte er einen Hausbau abgelehnt, angeblich, weil der Preis nicht stimmte. Den Männern jedoch fiel auf, dass er gar nicht mit vollem Ernst verhandelt hatte. Sie tuschelten hinter seinem Rücken und wurden immer unzufriedener. Als er in der Gegend des Hatchie Rivers wieder nicht auf ein Angebot eingehen wollte, redete Lenski mit ihm. Widerwillig sagte der alte Mann danach zu eine größere Scheune zu reparieren und zu erweitern. Der Lohn, den sie für die vierzehn Tage Arbeit erhielten, war gut. Aber das schien den alten Mann nur wenig zu freuen. Er war voller Unrast und drängte darauf, nach Memphis zu kommen.
    »Es ist bestimmt, weil er weiter nach St. Louis zu seinem Sohn Karl will«, mutmaßte Lenski.
    »Er grübelt über den Unfall nach«, sagte Warich.
    »Ich nehme an, er will nach Liebenberg zurück«, meinte der dicke Grumbach. »Hat wohl Angst, dass ihm seine Alte untreu geworden ist.«
    Sie lachten darüber. Und doch lag Grumbachs Scherz gar nicht so weit von den wirklichen Gründen entfernt, die den alten Mann nach Memphis trieben. Er wollte schnell nach Hause. Baron von Knabig hatte ihm eine Zweijahresfrist eingeräumt. Es wurde Zeit für den alten Mann, an die Rückfahrt zu denken, wenn er sich daran halten wollte. Er wollte sich daran halten. Denn es steckte bei aller Gutmütigkeit in dem Baron ein Rest jener Härte, mit der die von Knabigs ihr riesiges Gut zusammengebracht und stets vergrößert hatten, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot. Der Baron würde, falls der alte Mann sich nicht an die Absprache hielt nach längstens zwei Jahren die Schulden zu bezahlen das bienmannsche Haus und den Wald und das Stückchen Acker unter den Hammer bringen und alles selbst zu einem Spottpreis ersteigern. Was ihm aber mindestens ebenso viel Kopfzerbrechen bereitete, das waren Zattrics Pläne.
    Zattric würde den Soldatenrock längst ausgezogen haben. In Tuscaloosa hatten sie gehört, dass der Krieg mit Frankreich zu Ende war. »Unser König ist Kaiser von Deutschland«, hatte Grumbach geschrien, als die Nachricht in den Zeitungen verbreitet wurde.
    An diesem Abend hatten sie gefeiert und fast alle waren betrunken gewesen.
    »Verrückte Germans«, sagte ein Amerikaner und schüttelte den Kopf. »Was habt ihr denn davon, wenn euch ein Kaiser regiert? Ein deutscher Kaiser kostet euch bestimmt mehr Steuern als ein preußischer König.«
    »Ein Kaiser«, schrie Grumbach wütend, »das hat nichts mit Geld zu tun. Das ist was, was dir ein starkes Gefühl in die Brust gibt.« Und er begann voller Begeisterung zu singen:

    »Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
    der wollte keine Knechte,
    drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
    dem Mann in seine Rechte,
    drum gab er ihm den kühnen Mut,
    den Zorn der freien Rede,
    dass er bestände bis aufs Blut,
    bis in den Tod die Fehde.«
    Der alte Mann spürte das »starke Gefühl« weniger. Er konnte sich ausmalen, was auf ihn zukam, wenn es Zattric wirklich gelang, eine Zimmerei aufzumachen. Ein Teil seiner besten Leute hatte sich entschieden in Amerika zu bleiben und wohl kaum einer von ihnen würde je nach Ostpreußen zurückkehren. Zattric hatte die Handwerker, die zu Hause geblieben waren, sicher längst eingestellt. Wenn er dann endlich wieder in Liebenberg war, hatte er weder Leute noch Arbeit.
    »Ich kann vielleicht noch froh sein, wenn Zattric mich als Zimmerpolier einstellt«, lachte er grimmig.
    Er hatte seiner Tochter Mathilde nach Alice-Springs geschrieben, dass er erwäge, so schnell wie möglich nach Deutschland zurückzukehren. Er wolle vielleicht mit dem Schiff von Memphis aus nach New Orleans und dann mit dem Dampfer zurück. Aber genau wisse er es noch nicht.
    Im Laufe der folgenden Tage reifte dieser Gedanke zum festen Entschluss. Eine Tagereise vor Memphis holte

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