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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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sich, wenn sie in den Süden ziehen. Dort spielen sie sich dann als die großen Sieger über die Südstaaten auf und hoffen nach ein paar Jahren als gemachte Leute in den Norden zurückzukehren.
    Eine Woche später jedenfalls liefen wir aus Charleston aus. Das Wetter hätte nicht besser sein können. Wir umsegelten in flotter Reise Florida und lagen bald vor New Orleans. In dieser Zeit hat Charly täglich drei Stunden an der Figur gearbeitet. Er durfte aus dem Mannschaftslogis in eine der frei gewordenen Kajüten ziehen. Der Kapitän hat ihn eingeladen mit den Offizieren und den Kajütenpassagieren zu speisen. Die Besatzung hat es ihm übel genommen, dass er nun zum Achterdeck gehörte, und niemand mehr hat mit ihm ein Wort gewechselt. Nur in die Segelkammer ist Charly ab und zu gekommen und hat mit Hendrik stundenlang geredet.«
    »Aber was ist mit der Figur geworden?«
    »Charly hat versprochen, er wollte sie auf der Rückreise fertig machen. Aber es hat für ihn keine Rückreise gegeben. Er hat auf die hohe Heuer verzichtet und ist ganz einfach an Land geblieben. Der Kapitän hat die ganze Mannschaft durch alle Kneipen von New Orleans gejagt, um ihn zu suchen und schanghaien. Vergebens. Charly blieb verschwunden. Da hat der Kapitän den Balken in die Segelkammer schaffen lassen und hat geschimpft, dass es über das ganze Schiff schallte. ›Charly ist der größte Halunke, den die Weltmeere je getragen haben‹, hat er gebrüllt. ›Du, Hendrik, hast es ja besonders gut mit ihm gekonnt. Soll der im Balken versteckte Neptun in deiner Kammer liegen, bis der Holzwurm ihn frisst.‹«
    »Ist der Segelmacher krank, Jonas?«, fragte der Junge.
    »Du hörst ja, dass er sich die Lunge aus dem Leib hustet. Es ist schon seit Jahren schlimm mit ihm. Aber er näht Segel, wie du sie lange suchen kannst.«
    »Er will Schnaps von mir.«
    »So ist er. Ganz wild ist er auf alles, was nach Branntwein riecht. In den Häfen versäuft er die gesamte Heuer. Dann kriecht er in seine Koje und lässt sich tagelang nicht sehen.«
    »Duldet das der Kapitän?«
    »Der Segelmacher ist schon mit dem Vater von Jessen zur See gefahren. Als Jessen dann mit 29 Jahren diese Bark kaufte, ist Hendrik mit ihm auf das Schiff gekommen. Damals soll er an Bord noch nicht getrunken haben. Er will wohl seinen Husten kaputt­saufen.«
    »Ich glaube, er säuft sich eher selber ins Grab.«
    »Mag wohl sein. Aber ich kann dir sagen, wenn du ihm Rum besorgst, dann wird er dir alles erzählen, was er von Charly weiß, und vielleicht noch mehr. Der Schnaps weckt Geschichten in ihm, die noch niemand gehört hat.«
    »Wahre Geschichten, Jonas?«
    »Wenn du damit meinst, ob die Geschichten wirklich passiert sind, dann muss ich sagen, nein. Aber irgendwie steckt in ihnen immer ein Stück Wahrheit. Rumgeschichten eben.«
    »Woher, Jonas, soll ich Rum bekommen?«
    »Zur Not tut es auch Schnaps, Luke. Und Schnaps findest du im Zwischendeck und sicher auch im Steerage genug.«
    An diesem Abend noch versuchte der Junge Schnaps aufzutreiben, aber jeder, den er im Steerage darauf ansprach, lachte ihn nur aus.
    »Lass dir erst mal so viele Haare am Kinn wachsen, dass du dich rasieren kannst«, schrie Andreas Schicks. »Nur wer einen Bart hat, den haut der Schnaps nicht um.«
    »Hast ja selbst nur Karnickelhaare unter der Nase«, entgegnete der Junge und verkroch sich in seiner Koje.
    Er dachte an seine Mutter, an ihre schönen blonden Haare, und wenn er die Augen schloss, konnte er ganz deutlich andere blonde Haare sehen und ein Gesicht, ein Gesicht, das sich immer häufiger in die Minute vor dem Einschlafen drängte, und das Gesicht gehörte der Lisa Warich. Später tauchten andere Gesichter auf, böse Gesichter. Andreas Schicks fuchtelte mit einem Messer herum und ganz verschwommen tauchte sein Vater auf und lief und lief.
    Der Junge klammerte sich dann an seinen Großvater. Der legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm zu: »Schon gut, Luke, ich bleibe ja bei dir.«

Am nächsten Tag, dem 17. August, hatte der Junge Geburtstag. Er wurde 14 Jahre alt. Viel Aufhebens wurde von einem solchen Ereignis bei den Zimmerleuten gewöhnlich nicht gemacht. Der Junge selbst hatte am Morgen zunächst gar nicht daran gedacht. Als er aufwachte, fiel ihm zwar auf, dass außer ihm niemand mehr im Steerage war, aber er nahm an, er hätte das Aufstehen verschlafen. Er fasste unter den Strohsack und tastete nach Mathildes Brief. Dann lief er an Deck, um sich wie jeden Morgen in

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