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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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einsperrt, dann tu ich das gern, halleluja«, antwortete Mathilde und lachte.
    »Kaffee mit Rum!«, schallte der Ruf des Smutjes vom Vorschiff her. Nur sechs Zimmerleute ließen sich an Deck locken. »Nimm die Kanne, Warich. Heißer Kaffee mit Rum wird den Kranken gut tun«, sagte Mathilde.
    Der Junge nahm zwei Becher mit. Die Wolken hingen tief und jagten nach Norden. Es regnete nicht mehr. Außer dem Koch, dem ersten Steuermann und zwei Matrosen am Steuerruder war niemand von der Mannschaft zu sehen.
    »Wo sind die Matrosen, Jonas?«, fragte der Junge.
    »Die waren einen Tag und eine Nacht ununterbrochen auf den Beinen. Sie haben ihren Rum schon bekommen. Man müsste sie schnarchen hören. Die kleine Wache schafft es jetzt auch.«
    »War das ein großer Sturm, Jonas?«
    »Sagen wir, es war einer von der wilderen Sorte. Aber du siehst es ja, die ›Neptun‹ hat ihn ganz brav überstanden.« Er tätschelte das Holz des Mastes. »Außerdem habe ich geschlafen. Ganz genau weiß ich es nicht.« Nach einer Weile fuhr er fort: »Hoffentlich können wir den Himmel bald wieder sehen, die Sonne, die Sterne, damit wir wissen, wohin das Wetter uns getrieben hat.«
    »Gib mir reichlich Rum«, bettelte der Junge. »Ich will zu Hendrik. Er soll mir von Charly erzählen.«
    Der Koch tat ihm den Gefallen und schüttete nur wenig Kaffee in die Tassen und einen guten Schuss Rum dazu. Der Junge hielt die Tassen in einer Hand, die andere brauchte er, um sich abzustützen, wenn ihm der Boden unter den Füßen zu schräg wurde. Er stieg die Treppe zum Vorschiff hinab. Er tastete sich an der Kombüse vorbei und fand die Tür zur Segelkammer.
    Auch bei Hendrik war eine Sturmlaterne angezündet. Er saß aufrecht auf seiner Matratze und las in einem zerfledderten Buch. Die Nickelbrille war ihm vorn auf die Nase gerutscht. »Na, wieder lebendig?«, fragte er den Jungen und steckte das Buch unter sein Lager.
    »So halb«, antwortete der Junge. »Und wie hast du den Sturm überstanden?«
    »Mir geht es heute gut«, sagte der Segelmacher.
    Der Rum, dachte der Junge. Der Rum hat ihm das Blut durch die Adern gejagt. »Ich habe hier etwas für dich«, sagte er und hob die Tassen.
    »Ich rieche es, Junge. Was für ein wundervoller Duft ist das doch. Man schnuppert die Zuckerinseln, hört das Rauschen der Zuckerrohrfelder am Mississippi, sieht Palmen, Musik erklingt.«
    »Ich sehe nichts und höre nichts«, lachte der Junge.
    »Sehen ist etwas, Luke, das muss man mühsam lernen. Es gibt viele, die bleiben ein ganzes Leben lang blind.«
    »Willst du?«, fragte der Junge und reichte ihm die beiden Becher hin.
    »Gar nicht übel«, schmunzelte Hendrik. »Ein Becher, eine Antwort auf eine Frage.«
    »Ich habe zwei Becher, Hendrik.«
    »Einen Becher wirst du selber austrinken. Die letzten Seeteufel in deinem Bauch müssen vertrieben werden. Da liegt ein Kanten trockenes Brot. Iss und trink. Dann kommt wieder ein bisschen Farbe in dein Gesicht.«
    »Ich würde den Kaffee lieber gegen eine Antwort tauschen«, wandte der Junge ein.
    »Schluss damit. Wir trinken beide. Dann kannst du fragen.«
    Sie schlürften den heißen Kaffee in kleinen Schlucken und kauten trockenes Brot.
    Der Junge spürte den Rum in den Magen rinnen. Ihm wurde warm. Der Kopf wurde leicht und der letzte Hauch von Übelkeit verschwand.
    »Hat Charly auch gern getrunken?«, fragte dann der Junge un­geduldig.
    »Ich sage dir, Luke, du kennst Charly nicht. Wenn er Alkohol auch nur ansah, wurde er wütend. Wart mal, da fällt mir eine Geschichte ein. Wir hatten damals einen Moses, der besaß so ungefähr deine mickrige Figur. Schwarze Haare wie du hatte er auch. Er war ein ziemlicher Tollpatsch. Einmal sollte er für den ersten Steuermann das Glas aus der Kajüte holen. Da ist er über die letzte Stufe vom Achterdeck gestolpert und hat das Glas auf die Planken fallen lassen. Am Rand hatte die Metallfassung eine kleine Delle, sonst fehlte dem Fernrohr nichts. Du hättest den Ersten hören sollen. Er tobte.
    ›Los, in den Großmast mit dir, Dreckskerl‹, brüllte er den Moses an. ›Und trau dich nicht wieder an Deck, bevor du die oberste Rah geküsst hast.‹«
    »Die oberste Stange am Segel?«, fragte der Junge.
    »Und von oben sieht die Stange noch viel höher aus«, lachte Hendrik. »Nun ist es für einen Matrosen kein großes Kunststück, da hinaufzuklettern, zumal das Wetter ruhig war und das Schiff vor dem Wind lag. Aber Jesse, so hieß das Bürschchen, stand die nackte Angst ins

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