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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Kapitän«, sagte der erste Steuermann, »dass es gefährlich werden kann, wenn Sie ein gerechtes Urteil fällen wollen und die ganze, wilde Zimmermannshorde steht dabei?«
    »Ich sehe nicht, wo Ihre Bedenken liegen, Broblow«, antwortete der Kapitän.
    »Nun, stellen Sie sich vor, dem Alten passt es nicht, was Sie für Recht befinden. Er braucht nur mit dem kleinen Finger zu winken und schon haben wir eine verdammte Meuterei an Bord.«
    »Sie sehen zu schwarz, Broblow. Der Zimmermeister Bienmann ist ein kluger Mensch. Jedes Gericht tagt an Bord öffentlich. Muss sich das Recht hinter verschlossenen Türen verstecken?«
    Der Steuermann presste die Lippen zusammen. Sein Gesicht drückte deutlich aus, dass er in dieser Sache anderer Meinung war. Der Kapitän trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und schwieg nachdenklich.
    »Andererseits . . .«, fuhr er schließlich fort, aber er schien unentschlossen und führte den Satz nicht zu Ende. »Wir könnten die Waffen an die Besatzung ausgeben«, sagte er nach einer Weile.
    »Eine Handwerkergruppe, die in den Staaten arbeiten will, wird in ihrem Gepäck sicher auch etwas anderes als Pfeil und Bogen mit an Bord gebracht haben«, gab der Steuermann zu bedenken.
    »Sie mögen Recht haben«, sagte der Kapitän besorgt. »Ich könnte die Verhandlung hier in der Kapitänskajüte führen. Das ist der beste Grund nur wenige Zuhörer zuzulassen, etwa die Verwandten der Frau.«
    »Das ist ein Ausweg, Kapitän.«
    »Steuermann, sorgen Sie dafür, dass die Leute Bescheid bekommen. Heute Nachmittag pünktlich um vier soll das Gericht beginnen.«
    »Ja, Sir.«
    »Ziemlich weit vom Kurs abgekommen, Broblow, wie?«, wechselte der Kapitän das Thema.
    »So ist es, Sir. Wir befinden uns weit nördlich der Azoren.«
    Der Kapitän rollte eine Seekarte auseinander und beschwerte die Ecken mit seinen Pfeifen und dem Aschenbecher. Der Steuermann tippte mit dem kleinen Finger auf die Inselgruppe und legte dann die weiße, fleischige Hand auf die Karte.
    »Was schlagen Sie vor, Broblow?«
    »Entweder müssen wir nach Südosten zurück und auf Madeira zu, so, wie wir es ursprünglich vorhatten, oder wir wagen den Südkurs und schleichen uns östlich an den Azoren vorbei. Wenn wir Glück haben, erwischen wir den Passat.«
    »Und wenn nicht, liegen wir wochenlang in der Flaute«, brummte der Kapitän vor sich hin.
    »Wir könnten dann versuchen eine der Inseln anzulaufen, um Wasser und Proviant zu ergänzen.«
    »Zum Kuckuck also mit Madeira«, sagte der Kapitän entschlossen. »Wir hatten schon Pech genug auf dieser Reise. Sturm und Wasser haben uns vom Kurs getrieben, ein blinder Passagier an Bord, ­das Klüversegel zerfetzt. Lassen Sie alle Lappen hochziehen, Brob­low.«
    »Ist bereits geschehen, Sir.«
    »Bringen Sie die ›Neptun‹ auf Südkurs.«
    »Ja, Sir. Sonst noch etwas?«
    »Nein, Broblow. Schicken Sie mir den Segelmacher in die Kajüte.«
    Im Weggehen zog der Steuermann unwillig die Augenbrauen hoch. Ihm passte es nicht, dass der Kapitän mit einem Mann der Mannschaft so vertraut war. Als er jedoch den Kapitän einmal vorsichtig darauf angesprochen hatte und ganz allgemein während einer Mahlzeit erwähnte, dass es der Autorität nicht gut tue, wenn sich ein Offizier zu sehr mit Leuten aus der Mannschaft verbrüdere, da hatte ihm der Kapitän eine Abfuhr erteilt und spitz geantwortet: »Autorität, die man sich nicht aus der Nähe ansehen darf, die kann nicht viel wert sein.«
    Leise schloss der Steuermann die Kajütentür. Bald schrillte die Pfeife des Bootsmanns. Das Schiff drehte auf Südkurs. Tüchtiger Mann, dachte der Kapitän. Richtig warm werden kann ich aber mit ihm nicht.
    Es klopfte.
    »Herein!«
    Der Segelmacher öffnete die Tür und trat in die Kajüte. Er hielt die Mütze in der Hand.
    »Sie ließen mich rufen, Sir?«
    »Ja, Hendrik. Das Wetter hat dir Arbeit gebracht, nicht wahr?«
    »Das Klüversegel ist nicht mehr zu flicken, Sir. Der Sturm hat’s ziemlich zerfetzt.«
    »War das nicht zu verhindern, Hendrik?«
    »Der Sturm kam schnell, Sir. Aber wir haben genügend Tuch an Bord, um Ersatz zu schaffen.«
    »Na ja. Aber deshalb ließ ich dich nicht rufen, Hendrik. Ich habe bemerkt, dass du dich mit den Zimmerleuten abgibst.«
    »Ist richtig, Sir.«
    »Setz dich endlich auf den Stuhl, Hendrik. Immer diese Förmlichkeiten. Ich habe nicht vergessen, dass ich oft als Kind auf deinem Schoß gesessen habe.«
    »Damals waren Sie noch nicht Kapitän,

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