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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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auf der ›Neptun von Danzig‹? Nicht mit dem, der nichts hat, was den Menschen in ihm ausmacht?‹, fragte der Steuermann und von Frage zu Frage wurde seine Stimme lauter und drohender.
    ›Ich trinke mit niemandem, Sir.‹
    Der Steuermann schüttete Charly den ganzen guten Rum ins Gesicht. ›Dann riech ihn wenigstens‹, sagte er und stand lauernd, auf einen Angriff von Charly gefasst. Charly zuckte zusammen, eine steile Falte sprang von der Nasenwurzel in die Stirn. Er rührte sich nicht, ja, er wischte sich den Rum nicht einmal aus den Augen. ›Kann ich gehen, Sir?‹, fragte er.
    ›Ja, geh, Mensch, geh mir aus den Augen‹, brüllte der Steuermann und starrte Charly nach.«
    »Charly ist ein Schlappschwanz«, sagte der Junge.
    »Du bist ein Dummkopf, Luke. Zum ersten Mal hatte ich Charly als ganzen Kerl gesehen. Ich weiß nicht, ob er eingesehen hatte, dass Gewalt immer nur noch mehr Gewalt hervorbringt. Jedenfalls hatte er dem Steuermann eine Lehre erteilt, die für ihn härter war als jeder Schlag. Charly hatte sich selbst bezwungen. Luke, das solltest du dir für dein Leben lang merken, nicht zu schlagen, das erfordert meistens mehr Kraft von einem Mann als die Fäuste fliegen zu lassen.«
    »War das die Antwort auf meine Frage?«, fragte der Junge etwas enttäuscht. Er hätte am liebsten gehört, dass Charly ganz gerne ins Glas schaute. Der, den er meinte, der hatte nie in den Schnaps gespuckt.
    »Das ist noch nicht die ganze Antwort«, sagte der Segelmacher. »Als Charly ins Mannschaftslogis kam, wollten die Matrosen ihn feiern. Big Ben, sonst nie gut auf Charly zu sprechen, zauberte eine Flasche guten roten Whisky hervor und sagte: ›Du hast es ihm heute gegeben, dem Steuermann, dem Bluthund. Trink mit uns, Charly. Wir wollen auf dein Wohl anstoßen.‹
    ›Ich trinke nicht‹, antwortete Charly.
    ›Du trinkst nicht? Trinkst nicht mit uns?‹ Charly schüttelte den Kopf.
    ›Kennt ihr einen, der noch hochnäsiger ist als der Steuermann?‹, fragte Big Ben leise.
    Charly wandte sich wortlos ab und wollte an Deck zurück. ›Ist ihm nicht gut genug mit uns zu saufen‹, schrie einer der Matrosen. ›Bringen wir’s ihm bei‹, rief Big Ben. ›Schütten wir ihm den Whisky in den Hals!‹
    Sie packten Charly, noch bevor er die Treppe erreicht hatte. Er schlug wild um sich. Drei Matrosen liefen noch Tage später mit einem verschwollenen Gesicht herum. Aber schließlich drückten sie ihn doch mit dem Rücken gegen den Boden, knieten sich auf seine Arme und Beine und Big Ben setzte sich mit seinem vollen Gewicht auf Charlys Brust. Rob umklammerte fest seinen Kopf.
    Big Ben hielt in der einen Hand die geöffnete Flasche und mit der anderen würgte er Charly, bis dieser endlich seinen Mund auftat und nach Luft schnappte. Big Ben schüttete ihm den Whisky in den Hals, würgte ihn wieder und schüttete.
    ›Viel zu schade für dich, der herrliche Whisky‹, raunzte Big Ben, als sie endlich von Charly abließen.«
    »Und du, Hendrik, wo warst du, als das passierte?«
    »Ich habe alles mit eigenen Augen angesehen.«
    »Warum hast du Charly nicht geholfen?«
    »Ich habe ihm geholfen. Ich schleppte ihn in die Segelkammer, steckte ihm den Finger in den Hals und sorgte so dafür, dass er das Zeug wieder loswurde.«
    »Ich meine, warum hast du nicht dazwischengeschlagen, Hendrik?«
    »Ich schlage nie dazwischen, Luke«, sagte der Segelmacher.
    »Du meinst, du lässt dir alles gefallen? Es ist dir gleich, was mit deinen Freunden geschieht?«
    »Niemals Gewalt«, sagte der Segelmacher leise.
    »Hätten wir also Mathilde ruhig in den Klauen des Bootsmaats lassen sollen? Hätten wir ruhig dabeistehen sollen, als sie das Mädchen vor den Kapitän schleppen wollten?«
    »Der Kapitän ist kein übler Mann«, sagte der Segelmacher. »Er wird sicher für deine Schwester einen guten Ausweg finden.«
    »Sie ist meine Tante.«
    »Richtig, sie ist deine Tante«, sagte der Segelmacher und zog das Buch wieder unter der Matratze hervor.
    »Was geschieht mit blinden Passagieren?«, fragte der Junge.
    »Was weiß ich? Arbeiten müssen sie auf jeden Fall und sich ihr Brot an Bord verdienen. Früher wurden sie gekielholt.«
    »Meinst du, er macht das mit Mathilde? Meinst du, das lässt mein Großvater zu? Steht dabei, das Beil ruhig in der Hand, und sieht zu, wie sie seine Tochter umbringen wollen?«
    »Was dein Großvater macht, weiß ich nicht, Junge. Vielleicht gelingt es ihm, den Kapitän ohne Beil zu besiegen.«

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