Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
Steuermannsmaat.« Der zweite Steuermann fasste kurz zusammen, dass der Bootsmann die Mathilde Bienmann, Tochter des Zimmermeisters Bienmann, im Beiboot verborgen, gefunden habe. Dass darüber hinaus die Zimmerleute bei ihrer Festnahme Widerstand geleistet hätten. Er wollte allerdings nicht verschweigen, dass der Bootsmann in der ersten Aufregung und Empörung wohl außer Acht gelassen hatte, dass es sich bei dem blinden Passagier um eine Frau gehandelt habe, und nicht gerade sanft mit ihr umgesprungen sei.
    »Versuchte Meuterei«, sagte der erste Steuermann scharf. Seine großen Fäuste hatte er auf die Tischplatte gelegt.
    Der Kapitän brachte ihn mit einer unwilligen Handbewegung ­zum Schweigen. »Was sagen Sie dazu?«, fragte der Kapitän das Mädchen.
    »So war es«, antwortete Mathilde kurz.
    »Aber keine Meuterei!«, fiel der Lehrer ein. »Wir haben den Bootsmann in Notwehr . . . «
    »Schweigen Sie!«, herrschte der Kapitän ihn an. Er schaute eine Weile vor sich auf die Tischplatte und sagte: »Von Meuterei soll hier nicht die Rede sein. Aber wohin kämen wir, wenn jeder sein Beil schwingt, wenn er glaubt, ihm sei Unrecht geschehen? Gibt es nicht auf jedem Schiff einen Kapitän? Konnten Sie sich nicht bei mir beschweren, Meister Bienmann? Haben wir kein Recht auf See?« Er tippte mit dem Finger auf das Buch.
    »Ja, Herr Kapitän«, antwortete der alte Mann. »Aber manchmal schießt das Blut in unseren Kopf und macht das Denken schwer. Das ist kein Wunder, denk ich, wenn ein Mädchen an den Haaren übers Deck geschleift wird.«
    »Mag sein. Das mag Verschiedenes erklären. Doch sind Sie deshalb nicht schon frei von Schuld.«
    Der alte Mann senkte den Kopf.
    »Man sagt von Ihnen, Meister Bienmann, dass Sie mit dem Beil sehr geschickt sind.«
    »Das sagt man, Herr Kapitän.«
    »Würden Sie eine halb fertige Galionsfigur vollenden können?«
    »Hab so was noch nie gemacht, Herr Kapitän. Aber versuchen könnt ich’s.«
    »Gut. Was sagen Sie zu der Strafe, wenn ferner Ihre Männer, Meister Bienmann, als Schiffszimmerleute arbeiten sollen und all die Schäden ausbessern müssen, die der Sturm angerichtet hat?«
    Der alte Mann antwortete: »Ob Strafe oder nicht, Herr Kapitän, Arbeit kann auch die lange Zeit vertreiben. Doch sagen Sie es ganz genau, wie lange soll die Arbeit dauern?«
    »Zehn Tage je eine Wache, das sind für jeden insgesamt vierzig Stunden. Dazu Ihre Arbeit an der Figur.«
    Der alte Mann nickte.
    Der Kapitän erhob sich und die Offiziere mit ihm. Er verkündete das Urteil und legte die Hand auf Das Seerecht : »Die Kolonne des Zimmermeisters Friedrich Bienmann wird für schuldig befunden die Gefangensetzung eines blinden Passagiers mit Gewalt verhindert zu haben. Sie wird dazu verurteilt, je Mann vierzig Stunden Zimmermannsarbeiten nach Anweisung des Kapitäns abzuleisten. Ferner versucht der Zimmermeister die Galionsfigur fertig zu stellen. Nehmen Sie das Urteil an?«
    »Ja«, sagte der alte Mann.
    Sie setzten sich wieder.
    »Und nun zu dem blinden Passagier.« Der Kapitän lächelte Mathilde an. »Ist Ihnen auch das Blut in den Kopf geschossen und hat den Verstand getrübt, als Sie in Danzig in das Beiboot stiegen und sich dort versteckten?«
    Mathildes Gesicht färbte sich rot und sie blickte Hilfe suchend auf Piet.
    »Herr Kapitän«, sagte der und diesmal ließ ihn der Kapitän gewähren, »Sie wissen, dass wir die Passage zahlen wollten. Dazu sind wir auch jetzt bereit. Die Umstände haben einen geregelten Lauf der Dinge verhindert.«
    »Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie bereit und in der Lage sind die Passage zu bezahlen. Aber es bleibt bei der Heimlichkeit und es bleibt der Einbruch in die Kombüse.«
    »Ich habe einen preußischen Taler für Kaffee und Brot dort hingelegt«, sagte Mathilde.
    »Stimmt«, gab der Kapitän zu. »Aber Einbruch bleibt Einbruch.«
    Eine Weile schwiegen sie. Der alte Mann sagte schließlich: »Das, was wir Liebe nennen, Herr Kapitän, hat meine Tochter auf das Schiff getrieben. Es war nicht richtig, das wissen wir auch. Aber wir bitten Sie das bei dem Urteil zu bedenken.«
    Der Kapitän schlug Das Seerecht auf, blätterte darin herum, allerdings ohne zu lesen. Schließlich sagte er spöttisch: »Nichts von Liebe finde ich in diesem Buch.«
    »Buchstaben können töten«, warf der Lehrer ein. »Recht ist mehr, als Gesetze fassen können.«
    »Ich bin nicht Ihrer Meinung«, sagte der Kapitän. »Wer das Gesetz verlässt, der öffnet der Willkür Tür und

Weitere Kostenlose Bücher