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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Tor.«
    Er stand auf.
    »Lassen Sie uns zur Beratung allein. Warten Sie an Deck.« Die Matrosen befolgten den Befehl. Der alte Mann, Mathilde und der Lehrer drängten sich ebenfalls zur Tür. Der Junge aber starrte gebannt auf die Wand der Kapitänskajüte. Dort, wo gerade noch die Matrosen gestanden hatten, hing ein Bild. »Das ist unser See!«, rief der Junge erregt. »Woher ist das Bild?«
    Niemand hörte auf ihn.
    »Raus mit dir, aber schnell!«, sagte ein Matrose und schob ihn durch die Tür.
    Draußen hatten sich die Zimmerleute versammelt. Auch viele Zwischendeckpassagiere warteten neugierig auf das Urteil. Der Junge lehnte sich an die Wand der Kapitänskajüte. Laute Stimmen drangen durch das Holz und wiederholt konnte er den tiefen Bass des ersten Steuermanns heraushören, doch verstehen konnte er kein Wort. Er stand neben dem Segelmacher, der nun mit den anderen Matrosen die Tür von außen bewachte.
    »Hast du das Bild gesehen, das hinter dem Kapitän an der Wand hängt?«, fragte der Junge.
    »Ich kenne die Winterlandschaft gut«, antwortete der Segelmacher.
    »Hat das Charly gemalt?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Der See, der kommt mir irgendwie bekannt vor. Könnt fast bei uns zu Hause sein.«
    Der Segelmacher antwortete nicht.
    »Nun sag schon, ist’s von Charly?«
    »Du weißt doch, Quälgeist, eine Antwort gibt es in dieser Sache nur, wenn mir ein Gläschen Rum die Zunge lockert.«
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Kapitän und die Steuerleute aus der Kajüte traten. Der erste Offizier war blass und seine Augen funkelten dunkel vor Erregung. Der Kapitän jedoch schien kühl und beherrscht.
    An Deck wurde es so still, dass man das Tauwerk arbeiten hörte. Der Kapitän sprach mit ruhiger Stimme: »Mathilde Bienmann ist für schuldig befunden sich als blinder Passagier an Bord eingeschlichen zu haben. Sie hat ferner, wie sie selbst gesteht, in der Kombüse Brot und Kaffee entwendet. Allerdings hat sie die Nahrungsmittel reichlich mit einem Taler bezahlt. Es ergeht das Urteil: 1. Der preußische Silbertaler wird einbehalten und verbleibt in der Schiffskasse. 2. Die Passage von 43 Talern ist unverzüglich zu bezahlen. 3. Mathilde Bienmann leistet bis zur Ankunft in New Orleans Maatsdienste und geht vor allem dem Segelmacher zur Hand, wenn er das neue Klüversegel fertigt. – Ich frage Sie, Mathilde Bienmann, nehmen Sie das Urteil an?«
    Mathilde blickte kurz zu Piet hinüber, schaute dann den Kapitän an und sagte: »Ja, Herr Kapitän, ich nehme das Urteil an.«
    »Die Verhandlung ist beendet«, schloss der Kapitän.
    Die Stille war mit einem Male gebrochen. Die Pfeife des Bootsmanns schrillte, die Passagiere, die Matrosen, alle beredeten das milde Urteil. Viele waren enttäuscht, dass ihnen das Schauspiel einer strengen Bestrafung entgangen war. Manche sagten unverhohlen, dass der Kapitän sich von der Schönheit des Mädchens habe beeinflussen lassen.
    Der Segelmacher aber legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und sagte: »Es ist ein kleiner Schritt auf dem richtigen Wege.« Er drehte sich um und stieg die Treppe zur Segelkammer hinab. Bevor er jedoch ganz im Schiffsbauch verschwunden war, rief er dem Jungen noch zu: »Zur Feier des Tages, Luke, will ich dir eine Antwort geben, die du nicht zu bezahlen brauchst. Das Bild ist von Charly.«
    Dann war er verschwunden.

Sechs Tage dauerte bereits die mühsame Fahrt. Zu viel und zu wenig Wind, jeder lernte die alte Seemannsklage auf dieser Fahrt verstehen. Der kleinste Lufthauch wurde von den weit aufgespannten Segeln aufgefangen. Dennoch kam die »Neptun« nur langsam voran. Am Abend schrie der Maat aus dem Mast: »Land, Land im Westen!«
    Die schräg einfallenden Strahlen der Abendsonne färbten das Meer golden und rot und über dem glitzernden Spiegel schienen fern am Horizont taubenblau die Berge der Azoren zu schweben. Das Licht schwand mehr und mehr. Ganz sachte wurde der Wind stärker. Die Segel wölbten sich und fielen nicht mehr schlapp und kraftlos am Holz herab. Der allmählich anschwellende Luftstrom drückte die »Neptun« kaum merklich ein wenig auf die Seite und drängte sie vorwärts.
    Die Mannschaft und die Passagiere standen an Deck und schauten wie gebannt auf die fernen Inseln. Erst als der Steuermann seinen Donnerbass erschallen ließ und »Der Passat! Der Passat!« schrie, dabei vor Freude seinen brummigen Ernst vergaß, die Mütze vom Kopf riss und sie hoch in den Wind hielt, da jubelten die Matrosen auf und stampften

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