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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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ganz gut, Sir.«
    »Sehen Sie sich meine Hände an«, lachte Mathilde. Der Kapitän fasste ihre Hände und hielt sie sich dicht unter die Augen.
    Lass ihre Hände los und tu ihr nicht so schön, dachte der Lehrer eifersüchtig.
    Tatsächlich schien der Kapitän jeden einzelnen Einstich, den die Nadel in der Haut hinterlassen hatte, prüfen zu wollen. »Sie haben kleine, schöne Hände, Mathilde«, sagte er.
    Sie entzog sie ihm heftig.
    »Zerstochen und geschunden sind sie«, schimpfte sie. »Das Segeltuch ist nicht aus Samt und Seide, das Garn ist rauh und die Nadel gleicht einer Schusterahle.«
    »Strafe muss sein«, neckte der Junge sie.
    »Ich würde lieber für Sie, Kapitän, einen schönen blauen Umhang aus feinem Tuch nähen mit goldenen Tressen darauf, statt mit dem widerborstigen, steifen Segeltuch zu kämpfen«, sagte Mathilde.
    »Könnten Sie denn so etwas?«, ging der Kapitän auf ihr scherzhaftes Angebot ein.
    »Nähen hat mir meine Mutter schon beigebracht, als ich noch in der Schule war.«
    »Noch lieber würde sie in Ihrem Logbuch herumkratzen«, sagte der Junge. »Sie hat die schönste Handschrift im ganzen Dorf.«
    »Sie kann so viel«, sagte der Kapitän, »dass ich sie besser zu einer mehrjährigen Zwangsarbeit auf der ›Neptun‹ verurteilt hätte, wie?«
    »Ich hätte Mathilde befreit. Ihr Schiff hätte ich in Brand gesteckt und Sie, Kapitän, in Ihre Kajüte eingeschlossen«, entgegnete der Lehrer und legte den Arm um Mathilde.
    »Sie sind ja ein Revolutionär«, sagte der Kapitän.
    »Deshalb musste er aus Ostpreußen fliehen«, rief der Junge. »Sie waren schon hinter ihm her.«
    »Ich bin kein Revolutionär«, antwortete der Lehrer. »Ich trete für die Gerechtigkeit auf andere Weise ein.«
    »Ich glaube«, sagte der Kapitän und wandte sich an Hendrik, »ich glaube, du hast einen gefunden, der ein offenes Ohr für deine Ansichten hat.« Aber der Segelmacher ging darauf nicht ein.
    »Wie steht es mit eurer Arbeit, Luke«, sprach der Kapitän den Jungen an, »wird dein Großvater die Galionsfigur fertig bekommen?«
    »Mein Großvater kann nach dem bloßen Augenmaß mit dem Beil einen Zapfen aus dem Balken schlagen, der auf den Millimeter genau passt. Er hat schon Wetten damit gewonnen.«
    »Mag sein, Luke. Aber er scheint mir an den Neptun eher zaghaft heranzugehen.«
    »Ein Zapfen ist etwas anderes als eine Figur«, sagte der Lehrer. »Ich muss Ihre Meinung bestätigen, Kapitän. Ich habe dem alten Bienmann zugeschaut. Die Späne fliegen nur so, wenn ein grobes Stück abzuschlagen ist. Aber wenn es darum geht, etwa die Nase oder den Mund aus dem Klotz herauszuschneiden, dann wird sein Zuschlag unsicher.«
    »Er gibt sich viel Mühe«, sagte Mathilde leise.
    »Ich glaube nicht, dass ihm solche Arbeit liegt«, sagte der Lehrer. »Was er messen kann, das macht ihm keine Mühe. Die geraden Linien, die Konstruktionen, das ist sein Element.«
    »Warten wir es ab«, tröstete sich der Kapitän. »Vielleicht schafft er es doch. Er ist ja erst ein paar Tage bei der Arbeit.«
    »Ein Charly ist er jedenfalls nicht«, bemerkte der Segelmacher. »Dem machten gerade die groben Späne die größte Mühe. Ging es erst an die Feinheiten, dann war ihm keine Arbeit zu viel. Wenn ich daran denke, wie er den Dreizack des Neptun herausgearbeitet hat! Es sah aus, als ob er das Holz mit seinem Messer streichelte. Die Muscheln, das Seepferdchen, das Kleinzeug der Fische, das alles trat unter seinen Schnitten aus dem Holz hervor. Du konntest dabei stehen bleiben und das Getier wachsen sehen.«
    »Er hätte mit dem Kleinzeug nicht so viel Zeit vertrödeln sollen«, knurrte der Kapitän. »Vielleicht hätte er dann die Figur bis New Orleans fertig bekommen.« Man sah ihm an, dass er sich jetzt noch über Charlys Flucht ärgerte.
    »Wer war eigentlich dieser Charly?«, fragte Mathilde. »Der Luke spinnt nur noch von diesem Mann.«
    Der Segelmacher grinste und zwinkerte dem Jungen zu. »Ein Luftikus war er, ein ausgefuchster Filou«, ereiferte sich der Kapitän. »Aber immerhin hat er mir wenigstens ein paar Bilder gemalt, auf die ich stolz bin.«
    »Mein ältester Bruder konnte auch sehr schön malen«, sagte Mat­hilde.
    »Sie sagen, er konnte malen? Ist er tot?«
    »Er ist verschwunden, Kapitän.« Mathilde schaute auf den Jungen und verstummte.
    »Einfach weggelaufen ist er«, fuhr der Lehrer fort. »Hat seine Frau und den Jungen sitzen lassen und ist ganz einfach auf und davon. Vielleicht hat ihn die Neue Welt

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