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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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seinem Vater auf einer längeren Reise. Ich nehme an, sie waren Händler oder etwas Ähnliches. Jedenfalls dachte Charly den ganzen Tag an seinen Geburtstag. Und weil sein Vater von vielem redete, nur nicht vom Geburtstag seines Sohnes, da dachte Charly, sein eigener Vater hätte diesen Tag vergessen. Charly war verletzlich und viel zu stolz den Vater daran zu erinnern. Gegen Abend kehrten sie in einem Dorfgasthaus ein. Sie fanden einen freien Tisch neben der Theke. Der Vater bestellte ein gutes Essen und roten Wein. Charly war müde und enttäuscht. Sicher, er hatte oft Streit mit dem Vater. Aber nie hätte er gedacht, dass der den 18. Geburtstag seines ältesten Sohnes vergessen könnte.
    Die Mahlzeit verlief schweigsam. Nach dem Essen wischte sich der Vater mit dem Handrücken den Mund ab, nahm den Löffel in die Hand und schlug ihn wiederholt gegen den Tellerrand. Die Unterhaltung im Schankraum verstummte.
    ›Meine Damen und Herren‹, sagte der Vater feierlich und das klang ungewohnt, ja lachhaft, weil in der ganzen Stube kein einziges weibliches Wesen unter den Gästen war.
    Der Vater erhob sich.
    ›Meine Damen und Herren‹, wiederholte er. ›Mein Sohn, der hier neben mir am Tisch sitzt, hat heute einen ganz besonderen Tag.‹
    Charly schoss das Blut ins Gesicht. Also doch! Er hatte doch daran gedacht.
    ›Sage den Leuten, was heute für ein Tag ist, mein Sohn‹, befahl ihm der Vater.
    Charly stand ebenfalls auf und sagte leise und verlegen: ›Ich habe Geburtstag. Ich werde heute 18.‹
    ›Wir gratulieren! Herzlichen Glückwunsch!‹, riefen einige von den nächstgelegenen Tischen, die ihn verstanden hatten. ›Geburtstag hat der junge Mann. 18 wird er‹, antworteten sie auf die Fragen der Männer, die nicht mitgekriegt hatten, worum es ging.
    ›Ich lade Sie alle zu einem Glas Bier und zu einem Kornschnaps ein. Trinken Sie auf das Wohl meines Sohnes.‹
    ›Bravo‹, riefen die Leute. Der Wirt füllte flink die Gläser und trug sie auf die Tische. Als alle die Getränke vor sich stehen hatten, erhob sich der Vater noch einmal. Er zog eine kleine goldene Uhr aus seiner Westentasche, hielt sie am ausgestreckten Arm vor sich hin und ließ sie an der Kette baumeln.
    ›Es ist Brauch in unserer Familie‹, sagte er, ›dass der älteste Sohn an seinem 18. Geburtstag diese goldene Uhr von seinem Vater geschenkt bekommt. Ich habe sie getragen, seit ich 18 geworden bin. Halte sie in Ehren, gib Acht auf sie, damit du sie einmal weitergeben kannst, wenn du selbst einen Sohn haben wirst.‹
    ›Bravo‹, riefen die Gäste wieder und tranken dem Jungen zu. Die Überraschung machte Charly stumm. Weil er keine Weste trug und auch weil er sich von dem Anblick des schönen Geschenks nicht losreißen konnte, legte er die Uhr behutsam vor sich auf die Tischplatte. Jedes Mal, wenn sein Blick sie streifte, fuhr ihm die Freude ins Herz.
    Es muss alles anders werden zwischen mir und Vater, nahm er sich fest vor. Alles muss anders werden.
    Es war ein langer Tag gewesen, erst auf der Baustelle, dann der Weg. Irgendwann an diesem Abend hat ihn dann die Müdigkeit übermannt. Der Kopf sank Charly auf die Tischplatte und er schlief für ein paar Minuten ein.
    Lautes Lachen schreckte ihn auf. Er suchte die Uhr. Sie lag nicht mehr auf dem Tisch.
    ›Vater, wo ist die Uhr geblieben?‹, fragte er erschrocken und war mit einem Male hellwach.
    ›Wirst sie in die Tasche gesteckt haben, Jungchen‹, antwortete der Vater. Charly durchsuchte alle seine Taschen mit fliegenden Fingern. ›Sie ist nicht da‹, sagte er verzweifelt.
    ›Die Uhr ist nicht da?‹ Der Vater sah ihn erstaunt an. Dann zuckte er die Achseln. Charly suchte unter dem Tisch, unter der Bank, ließ seine Augen durch die Gaststube schweifen, aber niemand schien ihn zu beachten.
    ›Ich war eben einen Augenblick draußen‹, sagte der Vater und dämpfte seine Stimme. ›Ich sah den schwarzhaarigen Mann dort am Ecktisch von unserem Tisch weggehen. Ich dachte, du hättest mit ihm geredet.‹
    ›Ob er die Uhr genommen hat und einen Scherz mit mir machen will?‹, fragte Charly. Er stand entschlossen auf und ging zu dem Tisch hinüber.
    ›Verzeihung‹, redete er den Mann an, ›haben Sie vielleicht aus Versehen meine Uhr mitgenommen, als Sie eben an unserem Tisch waren?‹
    Der Mann schaute Charly empört an und schrie: ›Deine Uhr soll ich genommen haben? Willst du mich einen Dieb nennen?‹
    Die Männer in der Gaststube lachten und schlugen sich vor Vergnügen auf die

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