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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Wind noch ein paar Tage hart weht und wir weiter so schnell durch die Karibische See segeln, Sir, dann mag’s gerade noch langen.«
    »Wir haben auf dieser Reise schon viel Zeit verloren, Jonas. Wir werden keinen Hafen mehr anlaufen. Wir lassen es darauf an­kommen.«
    »Wie Sie meinen, Sir.«
    Die Sonne sank. Der Junge packte das Werkzeug in die Kiste, holte den Reiserbesen, fegte die Späne zusammen und warf sie ins Meer. Fische sprangen danach. Der alte Mann trat neben den Jungen an die Reling.
    »Wenn du weiter so arbeitest, Luke, dann kriegt der Kapitän doch noch seinen Neptun, bevor das Schiff in New Orleans vor Anker geht«, sagte er.
    »Charly hat es versprochen«, antwortete der Junge. »Und Spaß macht es mir auch.« Er rieb seine Handflächen über das Holz der Reling.
    Dem alten Mann fiel das auf und er sagte: »Was heilt, das juckt.«
    »Es sind nicht die Blasen«, widersprach der Junge. »Die spüre ich schon seit gestern nicht mehr. Zwischen den Fingern juckt’s mich.«
    »Zeig her«, sagte der alte Mann und schaute sich die Hände des Jungen aufmerksam an.
    »Lass mich auch deine Füße sehen.«
    Der Junge schlüpfte aus den Pantinen und stellte einen Fuß auf die Reling.
    »Spürst du es da auch, Luke?«
    »Ja. Jetzt, wo du mich fragst, könnte ich mich unter den Armen kratzen und es zwickt am ganzen Körper.«
    »Kein Zweifel, Luke, du hast die Krätze.«
    Der Junge erschrak.
    »Schlimm?«, fragte er.
    »Wenn wir nichts dagegen tun, kann die Krätze wie ein Ausschlag die ganze Haut mit eiternden Schwären überziehen.«
    »Ich werde in den Bottich steigen und im Meerwasser baden«, sagte der Junge. »Das hat der Bootsmann der Frau geraten.«
    »Mach das«, stimmte der alte Mann zu. »Aber dann komm ins Steerage.«
    Der Junge tauchte in dem Bottich für einen Augenblick ganz unter und quirlte das Wasser lange mit den Händen. An den entzündeten Stellen biss das Salz. Jetzt wusste der Junge, warum die kleinen Kinder aus dem Zwischendeck so schrecklich schrien, wenn die Frauen sie früh am Morgen in das Wasser tauchten. Er trocknete sich mit seinem Hemd ab, zog sich die Hose über und folgte dem alten Mann unter Deck.
    Auf der Tischkiste stand die Lampe. Der Docht war hochgedreht worden und sie leuchtete hell. Der alte Mann hatte aus dem Medizinvorrat den Topf mit Gänseschmalz und ein gelbgrünes Pulver hervorgeholt.
    »Das Fett ist flüssig geworden. Kein Wunder bei diesen Temperaturen«, sagte er.
    Der Junge schaute ihm zu, wie er das Pulver und das glitschige Schmalz geschickt zu einer Salbe vermischte. »Schwefelpulver«, erklärte der alte Mann, »Schwefelpulver und Gänsefett, das ist die beste Salbe gegen die Krätze. In drei Tagen spürst du nichts mehr.«
    Er rieb den Jungen damit ein und bedeckte besonders die Haut zwischen den Fingern und Zehen mit einer dicken Salbenschicht.
    »Im Zwischendeck jammern die Kinder«, sagte der Junge. »Die haben auch diese Krankheit.«
    »Sind es viele?«
    »Die Frauen baden jeden Morgen sieben oder acht im Salzwasser. Hast du sie nicht schreien hören?«
    »Nein. Gegen Morgen, wenn es etwas kühler wird, schlafe ich fest.«
    »Hilft diese Salbe auch kleinen Kindern?«, fragte der Junge nach einer Weile.
    »Schweineschmalz hilft jedem, der die Krätze hat.«
    Der alte Mann mischte mehr Salbe, drückte sie in einen Blechtopf und fragte: »Willst du mit ins Zwischendeck gehen?«
    Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen. Er hatte während der sechswöchigen Fahrt das Zwischendeck noch nicht zu betreten gewagt, obwohl ihn das düstere Loch mit seinem Geschrei, mit den lauten Streitereien, dem gelegentlichen Gesang, den Gebeten und Flüchen schon lange neugierig gemacht hatte. Aber es lag eine unsichtbare Schranke zwischen den Kajütenpassagieren, den Zimmerleuten im Steerage und den Menschen im Zwischendeck. Keine Gruppe betrat den Bereich der anderen. Nur wenn Lenski an den Sonntagen die Bibelworte auslegte, wenn sie gemeinsam sangen und beteten, dann schien für eine Stunde die Trennung überwunden zu sein. Am letzten Sonntag waren sogar einige Damen aus den Kajüten ins Steerage hinabgestiegen. Zuerst hatten sie sich ein wenig geziert, als der alte Mann ihnen Kisten als Sitzplätze anbot. Aber dann hatte Lenski sie mit seiner einfachen Predigt so beeindruckt, dass sie den ungewöhnlichen Ort für eine Weile vergaßen und sich einfangen ließen von dem, was sie hörten. Später, als das Schlusslied verklungen war, hörte der Junge, wie zwei sich

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