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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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kommen?«
    »Nun, von Danzig aus fährt nur noch ein einziger Segler nach Amerika«, warf der Lehrer ein. »Wenn er wirklich in die Staaten gewollt hat, dann ist es schon möglich, dass er mit der ›Neptun‹ gesegelt ist.«
    »Das fehlt auch noch, dass du dem Jungen Flöhe ins Ohr setzt. Luke sollte lieber rechtzeitig lernen, dass er ohne seinen Vater durchs Leben kommt.«
    »Und ohne seinen Großvater«, sagte der Lehrer spitz.
    »Lass meinen Vater aus dem Spiel. Hacke nicht immer auf ihm herum.« Mathilde sprang zornig auf.
    Der Junge hielt sie am Arm fest und bat: »Kannst du nicht mir zuliebe, Mathilde, auf den Bildern nach dem Zeichen sehen? Du bist doch fast jeden Tag in der Kajüte bei dem Kapitän.«
    »Fang du auch noch an zu stänkern«, schimpfte Mathilde und ihre Augen funkelten. »Ich werde nichts dergleichen für dich tun. Frage doch selbst den Kapitän, wenn es so dringend ist, du neugieriger Ziegenbock.«
    Sie riss sich los und lief davon.
    »Rotkohl!«, schrie er ihr nach.
    »Solltest ihn wirklich selbst fragen«, riet der Lehrer. »Nach Sonnenuntergang hat er eine ruhige Zeit. Vielleicht erlaubt er dir die Bilder anzuschauen.«
    Die zwei Stunden am Spätnachmittag vergingen dem Jungen nur langsam. Der Wind blies nicht mehr so gleichmäßig, sondern warf einige ruppige Böen in die Segel. Die Bootsmannspfeife jagte die Matrosen in die Takelage. Hoch oben standen sie in den Tauen und arbeiteten. Eine Hand für das Schiff, eine Hand für den Mann. Und wehe, sie hielten sich nicht mit einer Hand an der Stange fest. Sie lägen bald zerschmettert an Deck. Wehe aber auch, sie arbeiteten mit der freien Hand nicht geschickt. Der Steuermann würde es ihnen schon beibringen. Vortopp und Marssegel wurden gerefft.
    Obwohl das Schiff noch ruhig vor dem Wind lag, fühlte der alte Mann sich nicht gut. Er warf nur einen matten Blick auf das Zeichen des Jungen und nickte zustimmend.
    Endlich schlug der erste Steuermann die Zeit an. Die Sonne stand schon tief, färbte tausend kleine Schäfchenwolken rosig und tauchte den Horizont in ein zartes, klares Grün. Der Junge ging auf das Achterschiff. Das Herz schlug ihm im Halse. Er wollte den Kapitän sehr höflich bitten ihm die Bilder zu zeigen, die Charly gemalt hatte, und er wollte ihm gestehen, was er suchte. Er klopfte leise an die Tür der Kapitänskajüte. Es war ihm, als hörte er von drinnen einen Zuruf. Er öffnete die Tür und trat ein.
    Der Kapitän hatte den Stuhl hinter dem Schreibtisch zurückgeschoben und drehte dem Jungen den Rücken zu. Mathilde stand dicht neben ihm. Sie hatte ihren Arm um seinen Hals gelegt. Sie sah den Jungen und fuhr zurück. Röte flutete ihr vom Hals her über das ganze Gesicht bis in die Stirn hinein.
    Mit einem Ruck schob der Kapitän seinen Sessel herum.
    »Kannst du nicht anklopfen, du Flegel?«, fragte der scharf.
    »Ich habe . . . «
    »Hinaus mit dir. Klopfe gefälligst laut und deutlich, wenn du etwas von mir willst.«
    Der Junge blieb verwirrt stehen. Er verstand einen Augenblick lang nicht, was die Augen ihm gezeigt hatten.
    »Raus und klopfen!«, rief der Kapitän jetzt laut und herrisch.
    Der Junge schlug die Tür hinter sich zu. Er klopfte jedoch nicht, sondern stieg die drei Stufen zum Deck hinauf, rannte ins Steerage und verkroch sich in seiner Koje.
    Später kam Mathilde herab. Sie tat, als ob nichts vorgefallen wäre. Er starrte sie an. Sie trat nahe an ihn heran und flüsterte: »Ich werde dir, wenn du brav bist, vielleicht den Gefallen tun und mir die Bilder genau anschauen.«
    Er drehte ihr den Rücken zu.
    In dieser Nacht zog der Sturm herauf. Er kam ganz anders als der, der sie in der Biskaya mit plötzlicher Wucht erfasst und weit nach Norden getrieben hatte. Dieser meldete sich durch zahlreiche, immer stärker werdende Böen an, wuchs, als sie auf der Höhe von Jamaica waren, zu großer Gewalt an und beutelte sie drei Tage lang. Viele an Bord wurden seekrank. Den Jungen jedoch packte die Seekrankheit diesmal nicht.
    Langsam, wie das Unwetter gekommen war, flaute es auch wieder ab. Die Matrosen zogen nach und nach die Segel hoch. Die »Neptun« machte mit dem Sturm eine schnelle Fahrt. Oft saß der Junge mit dem Lehrer an Deck. Sie hatten einen geschützten Platz im Windschatten der Neptunsfigur gefunden.
    »Was werden Sie, Herr Lehrer, in den Staaten anfangen?«, fragte der Junge.
    »Ich weiß es noch nicht genau, Luke. Dein Großvater hat ein festes Ziel. Die Zimmerleute wollen zwei Jahre bleiben und dann

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