Der Lange Weg Des Lukas B.
herausgefunden hast. Sie wollen es mir nicht glauben.«
Das Vorschiff lag verlassen. Der Junge berichtete, wie ihm zum ersten Male der Verdacht gekommen sei, dass sein Vater von Danzig aus vor ihnen auf diesem Schiff nach Amerika gesegelt sei, und wie sich dieser Verdacht immer mehr bestätigt habe.
Der alte Mann senkte den Kopf, schwieg lange und sagte schließlich: »Gebe Gott, dass er noch lebt.«
»Wir werden ihn suchen«, sagte der Junge.
»Amerika ist groß«, gab der Lehrer skeptisch zu bedenken. »Eine Stecknadel im Heuhaufen ist sicher leichter zu finden als ein einzelner Mann in einem großen Land.«
Der alte Mann sagte: »Schweigt zunächst alle über das, was Luke entdeckt hat. Ich muss mir gründlich überlegen, was wir tun können.«
»Dem Segelmacher möchte ich es schon erzählen«, sagte der Junge.
»Tu’s, wenn du meinst. Aber sag auch ihm, dass er darüber schweigen soll.«
»Ja«, versprach der Junge.
Bevor er jedoch in die Segelkammer ging, holte er sich beim Smutje den Rum, der ihm zustand.
»Gib ihm nur das Feuerwasser«, sagte Jonas und schüttete die Tasse randvoll. »Ist keine leichte Arbeit für Hendrik, die Toten ins Segeltuch zu nähen.«
»Ich habe schon auf dich gewartet«, begrüßte der Segelmacher den Jungen. »Mir ist wieder eingefallen, wie das mit Charlys Narbe im Ohrläppchen war.«
»Ich habe den Rum.«
»Gut. Gib ihn mir, damit ich daran schnuppern kann.«
Er schnüffelte genüsslich an der Tasse, nahm einen winzigen Schluck und begann eifrig zu erzählen:
»Das war nämlich so. Wir hatten damals einen Hund an Bord. Das war so eine Marotte von dem zweiten Steuermann, der damals auf der ›Neptun‹ angeheuert hatte. War ein scharfes Biest und ließ niemanden näher als zwei Schritt an sich herankommen. Der Steuermann hatte dem Köter einen winzigen, goldenen Ring durchs Ohr gezogen. Sozusagen als Preis. Der Hund muss einmal einen Kampf gegen einen mächtigen Köter gewonnen haben. Der Steuermann hatte eine hohe Summe auf seinen Hund gewettet und viel Geld gewonnen. Aus Dankbarkeit hat er ihm dann den Goldring verpasst. Ob’s dem Hund angenehm war, das weiß ich nicht. Aber der Steuermann war unheimlich stolz darauf. Überhaupt behandelte er das Tier besser als seine Leute. War ein launischer Mann und schikanierte die Matrosen bis aufs Blut. Eines Tages, es war genau am Geburtstag des zweiten Steuermanns und er hatte nicht einmal ein Fässchen Rum gestiftet, da haben die Matrosen Wetten auf den Hund abgeschlossen. Aber diesmal ging es darum, wer sich traute dem Tier den Ring aus dem Ohr zu schneiden. Jeder Matrose wollte dem, der das schaffte, einen Silberdollar von der Heuer geben. Aber die Männer hatten die Wette ohne den Hund gemacht. Der Einzige, der wirklich nahe an den Hund herankam, das war ein junger Bootsmaat. Der hatte sich um den rechten Arm einen dicken Sack gewickelt und mit einem Lederriemen fest verschnürt. Er hoffte, dass der Hund sich darin verbeißen werde.
Stattdessen sprang ihn das Tier an und hat ihn beinahe zu Boden geworfen. Der Maat suchte sein Heil in der Flucht, machte es wie die Katzen, wenn sie vor einem Hund fliehen, und kletterte behände auf eine Jakobsleiter. Aber er war nicht schnell genug. Der Hund trug als Siegeszeichen einen beträchtlichen Fetzen der Bootsmaatshose auf seinen Platz. Und weil ein Hund ja ein Fleischfresser ist, hat er auch den Hintern des Maats nicht ganz verschont. Jedenfalls konnte der Maat immer noch nicht richtig sitzen, als unser Schiff Tage später in der Mississippimündung vor Anker ging.
Eines Tages, wir hatten gerade den großen Sturm hinter uns und der zweite Steuermann war nach 48 Stunden Schwerstarbeit wie ein Toter in seine Koje gekrochen, da ist Charly auf den Hund zugegangen, ohne zu zaudern, hielt seinen Blick fest auf das Tier gerichtet und hat leise und beschwörend auf das Biest eingeredet. Die Matrosen, die noch an Deck waren, vergaßen ihre Müdigkeit und rechneten jeden Augenblick damit, dass der Hund sich auf Charly stürzen würde, zumal sein Knurren tief aus der Kehle kam und das Nackenfell sich sträubte.
Aber Charly zeigte keine Furcht, beugte sich zu dem Tier nieder und versuchte gar nicht ihm schönzutun. Er ergriff das Schlappohr des Hundes, bog den Ring auf und drehte dann dem Hund den Rücken zu. Ich glaube, das Tier war froh, dass ihn jemand von dem lästigen Ring befreit hatte. Jedenfalls begann der Hund in der folgenden Zeit mit dem Schwanze zu schlagen, wenn Charly
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