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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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beiden Seiten. Ihre Fronten waren mit schmiedeeisernen, kunstvollen Balkongittern geschmückt. Gelegentlich konnte man durch eine Einfahrt in einen mit Palmen und Blumen bewachsenen Innenhof schauen.
    An diesem Abend speisten sie fürstlich, tranken einen süßen Wein und lachten laut, als Mathilde dem Agenten beschämt gestand, dass sie kein Wort von dem Englisch verstand, das die Kellnerin sprach, obwohl sie doch so fleißig die neue Sprache gelernt habe.
    Dem Agenten blitzten die Augen. Er rief die fette, schwarzhaarige Kellnerin zu sich an den Tisch. »Ich sage ihr jetzt, sie soll ganz langsam und deutlich sprechen«, erklärte er und redete auf die Kellnerin ein. Die lachte, zeigte auf sich und sprach langsam: »Je suis Claire-Marie.«
    »Ich habe nicht verstanden, was Sie zu ihr gesagt haben, Herr Schillinger, und auch von ihr verstehe ich kein einziges Wort«, rief Mathilde in komischer Verzweiflung.
    »Fragen Sie sie selber etwas«, forderte der Agent sie auf.
    Mathilde wollte sichergehen und sprach einen Satz, den sie bei dem Pfarrer in Liebenberg wohl hundertmal hatte sagen müssen: »Gute Frau, Gott segne Sie, wissen Sie, warum Moses aus Ägypten fortzog?«
    Sie war ganz sicher, dass sie diese Lieblingsfrage des Pfarrers korrekt ausgesprochen hatte.
    Die Kellnerin jedoch lachte, zeigte mit dem Finger auf ihr Ohr und schüttelte den Kopf.
    »Je n’ai pas compris«, sagte sie.
    Inzwischen war man bereits an den Nebentischen aufmerksam geworden und die Heiterkeit breitete sich in dem Lokal aus.
    Mathilde, vom Wein mutig geworden, setzte sich aufrecht und versuchte es noch einmal in ihrem besten Pastorenenglisch: »Oder kann mir jemand sagen, womit der Herr sein Volk in der Wüste speiste?«
    Nun lachten viele laut und aus einer Ecke tönte eine Stimme: »Mylady, you are here near Babylon. In the French Quarter they don’t speak English, but French, perhaps Spanish, but never Eng­lish.«
    Erleichtert lehnte sich Mathilde zurück und drohte dem Agenten im Scherz mit der Faust.
    »Bis 1803 war dies eine französische Stadt«, erklärte der Agent. »Dann erst ist der Staat Louisiana an die Staaten verkauft worden. Die Leute hier sind nicht um ihre Meinung gefragt worden. Sie waren mit dem Handel nicht einverstanden und haben das bis heute nicht vergessen. Sie sprechen nach wie vor Französisch.«
    »Aber im Hafen habe ich nur englische Laute gehört«, widersprach der Junge.
    »Lafayette ist nicht New Orleans«, sagte der Agent. »Ist ja deshalb von den Yankees gebaut worden, weil die eingesessenen Bürger sie nicht in ihren Vierteln dulden wollten. Und jetzt, nachdem die Südstaatler den Krieg verloren haben, da sprechen sie noch viel bewusster ihre Sprache. Das ist der Stolz der Besiegten.«
    »Wie’s mit ihrem Stolz ist, das wissen wir nun, aber was uns noch mehr interessiert, das ist, wie es mit dem Holz ist«, versuchte der alte Mann ein Wortspiel.
    Der Agent trank ihm zu. »Bis hierher war es Gastfreundschaft, Mister Bienmann. Aber wenn ich Sie beraten soll, dann ist das mein Geschäft.«
    »Guter Rat ist bei Ihnen hoffentlich nicht zu teuer«, flachste der Lehrer.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte der Agent. »Sie zahlen für mich heute Abend die Zeche. Wenn ich auch kein Fachberater für das Zimmerwesen bin, so kenne ich doch Land und Leute.«
    »Gut«, stimmte der alte Mann zu.
    Der Agent rief nach der Kellnerin und die kam kurze Zeit später mit einer Flasche Champagner gelaufen. Der alte Mann nickte zustimmend.
    »Also, wenn ich Ihnen raten darf«, begann der Agent, »dann verlassen Sie diese Stadt möglichst schnell. Sie frisst Ihr Startkapital weg. Das Geld der Konföderierten ist nichts wert. Harte US-Dollars für den Häuserbau sind hier rar. Ziehen Sie den Strom aufwärts. Da ist es leichter, Arbeit zu finden.«
    Das klang nicht unvernünftig und schien dem alten Mann die zweite Flasche wert, die der Agent bestellte. Als auch die dritte und vierte getrunken war und der Agent das S nicht mehr ganz lautrein zwischen den Zähnen hervorbrachte, da wusste der alte Mann, dass sie mit einem Mississippidampfer wenigstens bis Baton Rouge, besser noch bis Natchez oder Vicksburg stromauf fahren sollten, dass sie dort viel billiger als in New Orleans Pferdegespanne erstehen konnten, dass in den Kampfgebieten viele Häuser niedergebrannt seien und dass es dort viel aussichtsreicher sei, nach Arbeit zu fragen. Holz sei in den waldreichen Gebieten das kleinste Pro­b­lem. Vor allem aber sollten

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