Der Lange Weg Des Lukas B.
gesagt, heute ist ein ganz besonderer Tag. Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann gibt es zwischen den beiden Schiffen, die als erste ablegten, eine Wettfahrt bis St. Louis. Sie wollen die Strecke in weniger als vier Tagen schaffen.«
»Hat dein Englisch gereicht sie zu verstehen?«, neckte Piet sie.
»Ich hoffe es beim Herrn«, lachte Mathilde und der Junge rief: »Halleluja!«
Bald nachdem sie die Stadt verlassen hatten, glitten hinter der von alten Eichen gesäumten Dammstraße flache, gleichförmige Baumwollplantagen und Zuckerrohrfelder vorbei. Gelegentlich reichten Wälder bis in die Ufernähe. Sie entdeckten so viele Stämme, dass den Zimmerleuten das Holz für den Bau ganzer Dörfer zu reichen schien. Das monotone Gestampfe der Maschinen, die letzten kurzen Nächte, die Aufregungen der Einschiffung, die tausend neuen Eindrücke, das alles hatte den Jungen so ermüdet, dass er das Abendessen verschlief und nicht einmal wach wurde, als der alte Mann, Döblin und Warich in die Kajüte kamen und sich in ihre Kojen legten. Zwölf Stunden schlief er wie ein Stein. Selbst am nächsten Morgen noch musste der alte Mann ihn rütteln, damit er aufwachte.
»Um acht Uhr gibt’s Frühstück«, sagte er. »Wasche dich gut und kämme dich. Es geht hier an Bord sehr vornehm zu.«
Tatsächlich gab es wenig Vergleichbares zwischen dem Frühstück auf der »Neptun von Danzig« und der »Duke of Orleans«. Die Tische des großen Speisesaals waren mit weißem Leinen gedeckt, frisch gebackenes Brot duftete, starker, heißer Kaffee wurde ausgeschenkt, gebratenes Fleisch, verschiedene Fischsorten, Schinken, Butter, Apfelkuchen und Früchte standen bereit, als die Glocke pünktlich die Passagiere zum Frühstück rief. Ein Heer von Stewards in weißen Leinenjacken, meist Neger, bediente die Passagiere. Darunter waren sehr junge Männer, fast noch Kinder. Den Jungen, der noch niemals im Leben so bedient worden war, machte das befangen. Als der Schiffsoffizier sich von seinem Platz erhob und damit die Frühstückszeit beendete, war er noch keineswegs satt.
An diesem Morgen war es auf dem Strom angenehm kühl. Die »Duke« steuerte gegen zehn Uhr einen Landeplatz an. Ein großer Berg von Holzscheiten wurde an Bord genommen.
»Ein kleiner Wald wird von den Heizern verfeuert, bis das Schiff in St. Louis ankommt«, sagte der alte Mann. »Allein hier haben sie an die fünfzehn Fuder Holz geladen.«
Am späten Nachmittag legte das Schiff in Natchez, einer kleinen Stadt auf der linken Stromseite an. Nur wenige Passagiere gingen an Land. Es war schon lange nach Mitternacht, als der Kabinensteward die Zimmerleute weckte und ankündigte, dass das Schiff in einer Stunde Vicksburg erreiche. Ärger gab es und einen kleinen Aufenthalt, weil in der Aufregung des Aufbruchs niemand daran gedacht hatte, Mathilde zu wecken. Erst als sie die »Duke« verließen, fiel es Piet auf, dass sie nicht unter denen war, die von Bord gingen.
Das Leben, das im Hafen kurz aufgewacht war, als das Dampfschiff einlief, schlief schnell wieder ein. Die Zimmerleute hockten auf ihren Kisten auf dem Hafenplatz. Die Nacht war empfindlich kühl. Schließlich streiften Franek Priskoweit und Andreas Schicks durch die Gassen rund um den Hafen. Sie entdeckten zwei Gasthäuser, aber alle hatten längst die Lichter gelöscht. Die ganze Stadt lag in tiefem Schlaf.
Nur die Hunde kläfften aufgeregt, wenn die beiden Männer näher kamen.
Als sie zurückkehrten, sagte Franek: »Hier sieht man, dass Krieg war. Viele Häuser brauchen dringend den Zimmermann.«
Es begann endlich zu dämmern. Platz und Gassen belebten sich allmählich. An einem Gasthaus wurden die Blendläden geöffnet. Es hieß »Tobys Restaurant«. Sie fanden Platz in der Gaststube. Der Wirt war ein schmächtiger, älterer Mann. Er schrie mit einer näselnden, hohen Stimme Satzfetzen und kurze Anweisungen in einen Raum hinter der Gaststube. Bald drangen verlockende Düfte von gebratenem Speck heraus. Eine dicke Negerin in einem frischen blauen Kleid mit weißem, gestärktem Kragen brachte auf einem Tablett Brot und Butter, Honig und Schinken und später eine große Pfanne voll gebratener Eier. Kaffee wurde von zwei Mädchen, den Töchtern des Wirts, in Blechkannen aufgetragen. Die Kälte der Nacht war bald vergessen. Der Wirt versuchte ein Gespräch anzuknüpfen.
»Aha, Zimmerleute sind Sie?«
»Ja, wir wollen Fuhrwerke kaufen und suchen Arbeit«, erklärte der Lehrer.
»Fuhrwerke gibt es bei Ben
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